Kommentar. Über‘s Studium vergessen wir schnell mal, dass das Leben aus mehr besteht, als Seminaren, endlosen Vorlesungen und stundenlagem Lernen. Ein Plädoyer dafür, die Uni Uni sein zu lassen und darüber, dass Studieren nun wirklich nicht das Wichtigste ist.
Morgens sitzt Ihr ab 9 Uhr an Euren für Euer Studium zu erledigenden Aufgaben. Abzüglich der kurzen Essenspausen und des erzwungenen obligatorischen Spaziergangs um den Block – denn irgendwie müsst Ihr Euer Hirn mit frischem Sauerstoff versorgen und Eure verkrampfte Körperhaltung auflockern, oder nicht? – klemmt Ihr Euch an einem durchschnittlichen Wochentag rund zehn bis zwölf Stunden hinter den Lernstoff. Ende? Frühestens um 1 Uhr nachts und es folgt ein unruhiger Schlaf und ein unruhigeres, von düsteren Gedanken durchzogenes Erwachen. Vielleicht sitzt Ihr schon in der Mausefalle mit der dicken Aufschrift „Burn-Out” und wartet darauf, dasssie zuschnappt; das würde Erholung bedeuten. Das würde bedeuten, alles gegeben zu haben, das würde heißen: „Ich darf mir eine gerechtfertigte Pause gönnen, schließlich habe ich mich selbst in Grund und Boden gestampft, um allen Anforderungen gerecht zu werden, mich gequält und versucht und versucht.” Leistungsgesellschaft ahoi, liebe Grüße an dieser Stelle.
Viele von Euch, von uns, vergessen, dass wir uns selbst zu dieser Misere verdammen. Wieso nicht einfach mal zwei, drei Klausuren schieben? Wieso erlauben Wir es Uns nicht, nicht in Regelstudienzeit durch die Semester zu rasen? Wir können und Wir dürfen zu jedem Zeitpunkt einen Gang zurückschalten; hier mal ein Urlaubssemester beantragen, um die Welt und ihre Vielfalt statt öder Seminarräume zu sehen, dort mal ein Essay nicht pünktlich abgeben, weil Oma Gertrud Geburtstag feiert und sich wünscht, ihre Lieblingsenkelkinder bei sich zu haben. Und Oma Gertrud hat vielleicht noch fünf gute Jahre, wir hingegen 80, die wir noch mit unserem Essay zubringen könnten, wenn wir es wollen würden.
Tut Euch den Gefallen und erhebt Euer Studium nicht zur Priorität Nummer Eins! Wir alle wollen einen exzellenten bis guten Abschluss hinlegen – das ist ja wohl klar, aber: Werdet Ihr Euch in 30 oder 40 Jahren eher mit Freude an die durchbüffelten Wochen und die folgende gute Note in der Klausur (einer von vielen) zurückerinnern, oder an den Spontantrip nach London? Die fünf Eiskugeln am Badesee? Oma Gertruds Himbeerkuchen? Vergesst ob des ganzen Drucks und teilweise selbst induzierten Stresses nicht, dass Ihr jung seid. Und zwar so jung, wie Ihr es nie wieder sein werdet und so frei, wie vermutlich erst wieder zur Rente – oder falls Ihr das große Geld macht, wobei Freiheit subjektiv ist und eine Grundsatzdiskussion zu weit führen würde. Ich meine: Freiheit im Sinne von tun-und-lassen-können-was-ich-will, und zwar nicht nur, wann und wie ich es will, sondern auch das Glück zu haben, die nächste Klausur verschieben, die nächste Deadline verlängern zu können, weil mir danach ist. Weil ich erleben will. Schiebt das Lernen auf, nicht die Urlaube, die Partys, die Freunde, die Menschen, das Lachen, die Hobbys, die Gesundheit. Hinterher wird es relativ unwichtig sein, ob Ihr sechs oder zehn Semester gebraucht habt. Hört auf, Euch von Leistungsdruck und Stress in die Enge treiben zu lassen. Ihr habt in der Hand, wie Ihr studieren wollt. Entscheidet Euch für Euer Wohlergehen. Manchmal, da kommt der:die eine oder andere an den Punkt und schmeißt sein:ihr Studium. Schockierte Reaktionen ringsherum, Hände werden über dem Kopf zusammengeschlagen – acht Semester Lehramtsstudium hingeworfen, und wofür?! Für’s Glücklichwerden, dafür.
:Rebecca Voeste
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