Die Berichterstattung hat vieles richtig gemacht bei den Olympischen Winterspielen in China. Doch einige grundlegende Probleme bleiben.
Kritik ist wichtig! Und kritische Berichterstattung essentiell. Das ist bei den Olympischen Spielen nicht anders, besonders wenn das Internationale Olympische Komitee so sehr dazu neigt, bei Menschenrechtsverletzungen mal gern beide Augen zuzudrücken und den Geldbeutel weit offenzuhalten. Deutsche Medien schaffen es trotzdem immer wieder, sich stattdessen auf absurd wirkende Kleinigkeiten zu fokussieren, und die Reporter:innen (aber besonders Reporter) können sich scheinbar mit besonders unnötigen Kommentaren nicht wirklich zurückhalten. Letzteres führt dann dazu, dass beim Curling gefragt wird, ob das antretende norwegische Ehepaar sich zuhause auch so einig beim Wischen sei. Und natürlich geht es auch um deutsche Teams und Athlet:innen. Wenn diese jedoch weit entfernt vom Siegertreppchen landen, ist es schade, wenn sich deutsche Reporter:innen trotzdem kaum mit dem beschäftigen, was an der Spitze passiert. Lieber redet man noch weiter über unsere Sportler:innen.
Zensur, Unterdrückung von Minderheiten, mangelnde Pressefreiheit, Überwachung… Genug gibt es zu kritisieren an der Volksrepublik China. Auch die Verstrickung deutscher Konzerne und Politiker:innen sollte dabei nicht vergessen werden. Doch, was man sich hätte sparen können, war die Diskussion um die Skisprungschanze Big Air Shougang. Gelegen in einem ehemaligen Industriegebiet, welches zur Touristenattraktion transformiert werden sollte, bot die Schanze nicht gerade Ausblick auf die schönste Natur oder natürlichen Schnee. Daran hingen sich einige Medien auf und der böse, böse Kunstschnee wurde als Umweltsünde Chinas verdammt. Dass auch praktisch alle europäischen Wintersportstätten auf ihn angewiesen sind, und das nicht erst seit gestern, kann man dabei gern ignorieren. Für manche mag es ein Schock sein, aber in Neuss und Bottrop liegt in den Skihallen auch kein Naturschnee. Wenn man so etwas dann kritisiert, wird auch die legitime Kritik automatisch entwertet.
Nun haben die Öffentlich-Rechtlichen viel Geld für die TV-Rechte bezahlt. Kritischer Umgang mit China gehört klar zu den Aufgaben, doch Legitimität gibt man der chinesischen Regierung dadurch trotzdem. Und man sollte nicht vergessen, wer dafür gesorgt hat, dass es überhaupt Winterspiele in China gibt, und wer auch weiterhin olympische Spiele in Ländern wie Russland, China und Brasilien stattfinden lässt, und Menschenrechte dabei gern unter den Tisch fallen lässt.
Einen großen Eklat haben sich deutsche Reporter:innen diesmal erspart, und viele wichtige Themen wurden angesprochen. Genau dort stellt sich auch das Problem ein: Die Öffentlich-Rechtlichen sind bei kritischer Berichterstattung über Spiele wie die in China wohl zuverlässiger, als es den Privatsendern zu überlassen, die am meisten Geld dafür ausgeben wollen. Das Dilemma, ob man die Winterspiele, die chinesische Regierung und das IOC mit den Fernsehberichten legitimiert, ist also kein einfaches.
:Jan-Krischan Spohr
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