Impfskepsis kommt selten allein, Novak Đoković ist das neuste Beispiel. Doch nicht nur Pseudowissenschaft findet er scheinbar faszinierend, auch serbischen Nationalismus und das Leugnen von Genoziden ist in seinem Umfeld en vogue.
Laut Weltrangliste ist Novak Đoković der derzeit beste männliche Tennisspieler der Welt, und nach seinem Auftritt als Märtyrer der Ungeimpften um seine Anreise zum Australian Open 2022, und die diesbezügliche Berichterstattung der Medien, wohl auch der bekannteste. Das hin und her um seine Einreise in Australien wurde nun genug breitgetreten, und ich würde mich lieber auf andere Apskte der Person Đoković beziehen. Und zu erzählen gibt es da genug.Schon bevor die Kontroverse um das australische Tennisturnier überhaupt begann, gingen einige Bilder des Tennisprofis durch die Medien – wenn auch leider nicht mit großer Öffentlichkeitswirkung. Auf einem dieser Bilder sitzt er beim gemütlichen Kaffee zusammen mit Milan Jolović. Dieser war Kommandant der paramilitärischen Einheit „Drina-Wölfe“ im Bosnienkrieg, welche auch am Genozid an Bosniaken in Srebrenica beteiligt war. Ein Genozid, bei dem 8.000 Muslime wegen ihres Glaubens verfolgt und ermordet wurden. Ein Genozid, den der bosnische Politiker Milorad Dodik leugnet. Eine gute Voraussetzung sich mit Đoković zu verstehen, sollte man meinen. Und tatsächlich, es gibt Bilder der beiden auf einer Hochzeit, offenbar bei einem netten Plausch. Durch Dodik wurde Đoković außerdem die Ehre zuteil, einen Orden zu erhalten, den zuvor auch schon verurteilte Kriegsverbrecher wie Slobodan Milošević , Ratko Mladić oder Radovan Karadžić erhalten haben. Neben tatsächlichen Mördern und Verbrechern in seinem Umfeld, gehört zu einem ausgeglichenen Profil als durchgeknallter Nationalist, gefühlt besonders im 21. Jahrhundert, auch noch die ein oder andere Verschwörung. Und auch da enttäuscht unser Lieblings-Tennisstar nicht. Wenn er Energie tanken will, gibt es für ihn nur einen Ort: die „Pyramide der Sonne“. Diese Pyramide ist eigentlich nur ein Berg in Bosnien, doch der bosnische Bauunternehmer Semir Osmanagić ist sich sicher, dass es sich tatsächlich um die älteste und größte Pyramide der Welt handelt, und es ihrer Art noch mehr in der Nähe der Stadt Visoko gibt. Seine Beweise: Der Berg sieht etwas pyramidenförmig aus. Ausgrabungen an diesen Orten haben bisher primär erreicht, dass tatsächlich vorhandene archäologische Überreste vor Ort zerstört wurden, ohne jegliche Hinweise auf irgendwelche Pyramiden. Das hält einen überzeugten Nationalisten wie Đoković natürlich nicht von regelmäßigen Pilgerreisen ab, denn wen wissenschaftliche Erkenntnisse zu Impfstoffen nicht interessieren, der lässt sich auch nicht plötzlich von anderen Forschungsergebnissen überzeugen. Auch vor seiner Abreise nach Australien soll er auf dem Berg meditiert haben. Seine frisch getankte Pyramidenenergie schafft es wohl trotzdem nicht die Einreisebehörden zu überzeugen. Die nationalistischen Töne im aktuellen Diskurs um Đoković, ob von seiner Familie oder dem serbischen Staatspräsidenten, sind somit kaum ein Wunder, ist er doch fest verwurzelt in dieser Ideologie. Hoffen wir nun, dass Đoković fürs erste von den Frontseiten der Zeitungen verschwindet, und nicht mehr Unmengen an wichtigen Themen dem Ego eines sehr absurden Mannes weichen müssen. Und hoffen wir, dass wir bald keine Solidaritätsbekundungen aus Springer-Presse und anderen schmierigen Ecken mehr mit der „Nummer 1 im Tennis“ lesen müssen – auch wenn ich noch nicht ganz verstanden hab, was Serena Williams mit dem Thema zu tun hat.
:Jan-Krischan Spohr
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