Unbekannte haben an einer Moschee in Dortmund einen Schweinekopf deponiert. Derlei Taten sind Alltag in Deutschland.
In der Nacht zum Sonntag hat ein Unbekannter einen Schweinskopf am Eingangstor der Selimiye Moschee im Dortmunder Stadtteil Eving befestigt. Der Kopf wurde am nächsten Morgen von einem Kind aus der Gemeinde entdeckt. Der Vorstand der Gemeinde sprach von einer „widerlichen rassistischen Tat“, von der man sich aber nicht einschüchtern lasse. Wie im Judentum, so gilt auch im Islam das Schwein bekanntlich als religiös unrein. Neben der Polizei, die derzeit Zeug:innen sucht, ist auch der Staatsschutz aktiv geworden, der bei Vergehen ermittelt, bei denen ein politischer Hintergrund vermutet wird. Der mutmaßliche Täter ist zwar auf einer Überwachungskamera der Moschee zu sehen, wegen der Dunkelheit zum Tatzeitpunkt aber wohl kaum zu identifizieren. Auf dem Video soll zu sehen sein, wie er mit dem Schweinekopf posiert und Selfies schießt. Laut Polizei „liegt der Verdacht der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ vor. Ermittelt wird wegen „Beleidigung“ und „Störung des öffentlichen Friedens“, nicht aber wegen „Volksverhetzung“. Rassismus ist in der Bundesrepublik ohnehin kein Straftatbestand.
Der Fall in Dortmund reiht sich ein in eine lange und anhaltende Kette von rassistischen Angriffen und Übergriffen gegen Muslim:innen und ihre Präsenz in Deutschland. Offiziell erfolgten allein 2020 mehr als 900 Angriffe auf Muslim:innen und Moscheen, also zwei bis drei pro Tag. Damit liegt die Bundesrepublik im europäischen Vergleich weit vorn. Insbesondere was die Zahl der physischen und verbalen Übergriffe angeht von der Beleidigung über Anrempeln bis hin zum Anspucken, massiven körperlichen Angriffen oder Versuchen, Frauen das Kopftuch herunterzureißen, dürfte es indes eine extrem hohe Dunkelziffer geben. Vor allem weil die Opfer derlei Attacken meist nicht anzeigen, aber auch weil sie von den Beamt:innen häufig nicht ernstgenommen werden. Darüber hinaus lässt sich alltägliche Diskriminierung auf der Straße, in der Schule, beim Einkaufen oder bei der Arbeit quantitativ schwer messen. Als erstes Todesopfer dezidiert antimuslimischer Gewalt in Deutschland gilt Marwa El-Sherbini, die 2009 in Dresden wegen ihres Kopftuchs erstochen wurde. Allerdings hängen antimuslimischer, antitürkischer und antiarabischer Rassismus eng zusammen und lassen sich häufig kaum trennen. So werden auch die zahlreichen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, in denen heute vor allem Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern leben, von vielen genauso als – unter anderem – antimuslimisch-rassistisch gewertet, wie der NSU-Terror oder die Anschläge von Hanau und Halle. Bild und Text :Leon Wystrychowski
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