Die Zeichen stehen auf Ampel in der Bundespolitik. Was das im Einzelnen wahrscheinlich zu bedeuten hat, könnt Ihr hier nachlesen.
Was auf uns zukommt
Im Vergleich zu dem langen Hin und Her im Jahre 2017 wurde bei den diesmaligen Koalitionsverhandlungen wirklich der Turbo gezündet. Es ist längst noch nicht alles geklärt, was die zukünftige Zusammenarbeit von SPD, den Grünen und der FDP angeht, doch dieses Trio scheint großen Wert auf die erfolgreiche Regierungsbildung zu legen. Vor vier Jahren war man sich erst nach monatelanger Verhandlung mit der CDU einig, dass man sich uneinig war, um daraufhin widerwillig weitere vier Jahre eine große Koalition zu erzwingen. Deshalb und weil die SPD klar die meisten Stimmen verbuchen konnte, wird Olaf Scholz wohl neuer Bundeskanzler werden. Bei der Ampelkoalition handelt es sich somit um die einzige realistische Alternative für die kommende Legislaturperiode, denn die im Vorhinein von einigen Seiten stark beworbene Koalition Rot-Rot-Grün zusammen mit der Linkspartei wurde durch deren schwaches Wahlergebnis unmöglich gemacht. Nun heißt es also: Zusammen, was irgendwie einigermaßen zusammenpasst!
Die Stimmung innerhalb der Parteien geht weit auseinander, von offener Skepsis über vorsichtigen Optimismus bis hin zu überschwänglicher Euphorie ist alles dabei. Das liegt einerseits an der starken Erleichterung darüber, dass nun die Möglichkeit besteht, zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder ohne die konservative CDU zu regieren und andererseits an der Hoffnung, nun endlich doch noch rechtzeitig klimagerechte Politik einzuführen, um das Schlimmste zu verhindern. Allerdings sind die Differenzen zwischen den drei Parteien durchaus gravierend, weshalb mit Sicherheit nicht alle mit dem Ergebnis glücklich sein werden. Kürzlich wurde das gemeinsame Sondierungspapier veröffentlicht, das als Basis für die Koalitionsverhandlungen dienen soll.
Arbeit & Soziales
Zunächst wird der gesetzliche Mindestlohn im nächsten Jahr auf 12 Euro angehoben, was auch zur Folge hat, dass aus bisherigen „450-Euro-Jobs“ dementsprechend „520-Euro-Jobs“ werden. Deutschland soll außerdem einen stärkeren Fokus auf Einwander:innen als qualifizierte Fachkräfte legen, indem Aufenthaltsmöglichkeiten erleichtert werden. Hartz IV soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden, das weiterhin an „Mitwirkungspflichten“ gebunden ist. Die Renten sollen nicht angetastet werden, was keine Erhöhung des Eintrittsalters sowie keine Kürzungen bedeutet, während gesetzliche und private Krankenkassen erhalten bleiben sollen. Jedes Jahr sollen 400.000 neue Wohnungen gebaut werden, wobei ein besonderer Fokus auf Klimaschutz und Bezahlbarkeit gelegt werden soll, indem auch ein Viertel des Neubaus staatlich gefördert wird. Dazu sollen die geltenden Mieterschutzregelungen verlängert werden, um die Wohnraumknappheit vor allem in Ballungsräumen zu bekämpfen.
Klimaschutz &Modernisierung
Mithilfe eines schon 2022 in Kraft tretenden Klimaschutz-Sofortprogrammes will man sich wieder stärker am 1,5-Grad-Ziel und dem Pariser Klimavertrag orientieren. Dafür soll der Ausbau erneuerbarer Energien drastisch beschleunigt werden, indem beispielsweise zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft ausgewiesen werden und bei Neubauten „alle geeigneten Dachflächen“ für Solarenergie genutzt werden. Gleichzeitig soll es allerdings kein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen geben, womit ein empfindlicher Punkt zu Gunsten der FDP-Wähler:innenschaft ausgefallen ist. Trotzdem will man sich auch in Bezug auf Autos an die Vorgaben der EU halten, was bedeuten würde, dass ab 2035 auch in Deutschland nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen sein werden. Wovon vor allem Grüne und FDP profitieren dürften, ist die geplante Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre, denn schon unter den 18 bis 29-jährigen bildeten die beiden Parteien diesmal die stärksten Kräfte. Außerdem schreibt sich die Ampelkoalition Entbürokratisierung auf die Fahne und will Verwaltungs-, Planungs-, und Genehmigungsverfahren modernisieren. „Unser Ziel ist es, die Verfahrensdauer mindestens zu halbieren.“
Schwierigkeiten könnten vor allem bei der Finanzierung der geplanten Projekte entstehen, denn die FDP hat sich vor allem steuerpolitisch klar durchgesetzt. „Wir werden keine neuen Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen“, heißt es im Sondierungspapier. Währenddessen soll auch die gesetzliche Schuldenbremse beibehalten werden, die Investitionen extrem erschwert, weil sie nur einen geringen finanziellen Spielraum lässt. Ohne Steuererhöhungen und mit der Schuldenbremse bleibt unklar, wie die grüne
Zukunft finanziert werden soll.
:Henry Klur
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