Kritik. Mit seiner Neuverfilmung von „Dune“ bringt Regisseur Denis Villeneuve den Beweis, dass Ernsthaftigkeit auf der großen Leinwand angebracht ist.
Kein Bildschirm und wahrscheinlich auch kein Kino dieser Welt wird wohl gigantisch genug sein, um die Monumentalität dieser Bilder entsprechend überliefern zu können. Trotzdem empfiehlt es sich, das größte Kino aufzusuchen, das man finden kann, denn eine persönliche Heimkino-Premiere von „Dune“ verbietet sich und wird vermutlich nicht den Bruchteil seiner potenziellen Wirkung erreichen können. Der Kanadier Villeneuve ist der nächste in einer illustren Runde von Regisseuren, die bereits versucht haben, das gleichnamige Science-Fiction-Epos von Frank Herbert zu verfilmen. Allerdings lässt sich getrost behaupten, dass dies der erste geglückte Versuch ist. Die Verfilmungsgeschichte der Buchreihe liest sich vor allem als Historie des Scheiterns: vier Mal wurde das Projekt, unter anderem von Ridley Scott, in Angriff genommen, um dann wieder aufgegeben zu werden. 1984 veröffentlichte David Lynch mit seiner Version des Wüstenplaneten seinen wahrscheinlich schlechtesten Film und eine dreiteilige Miniserie fand kaum Beachtung.
Längst galten die Bücher schon als unverfilmbar, als Denis Villeneuve seine Arbeit aufnahm. Der Franko-Kanadier konnte schon zuvor durch seine herausragenden Einstiege in das Science-Fiction-Genre mit „Arrival“ und „Blade Runner 2049“ ein Talent für intelligente Blockbuster beweisen. Seine Held:innen werden häufig einsam im gewaltigen Panorama ihrer futuristischen Einöde gezeigt. In „Dune“ haben wir es mit einer Geschichte zu tun, die sich rund um den Kampf der Vorherrschaft des Wüstenplaneten Arrakis dreht, der allein durch seinen Reichtum an dem Rohstoff Spice von Interesse ist. Für die naturverbunden Fermen ist das Spice eine halluzinogene Droge, die Visionen ermöglicht, während für die kolonisierenden Völker der Harkonnen und vom Haus Atreides das Spice die interstellare Raumfahrt ermöglicht. Folglich herrscht seit ewigen Zeiten ein wechselnd kalter und heißer Rohstoffkrieg, bei dem untereinander fleißig intrigiert wird, wie wir es aus Game of Thrones oder House of Cards kennen. Währenddessen leiden der Planet und seine Bewohner:innen unter dem rücksichtslosen Ressourcenabbau und hoffen schon lange auf einen Messias, den sie im Protagonisten Paul, gespielt von Timothée Chalamet, vermuten.
Der politische Interpretationsspielraum ist sehr breit und doch noch etwas unklar, denn dieser Film ist nur der erste Teil, auf den mindestens noch ein Zweiter folgen wird. Ein neues Franchise soll hier offensichtlich begründet werden, das sich jedoch nicht einfach in die Reihen von Star Wars, Herr der Ringe oder Marvel gesellen will. Von diesen Marken unterscheidet sich „Dune“ besonders in seinem Erwachsensein. Man verweigert sich jeglichen ironischen Brechungen oder befreiender Komik, um die Stimmung aufzulockern, denn dieser Film ist ernst gemeint. Es ist eine Wohltat, dass Villeneuve sich zu Pathos und Epik bekennt, ohne sich dabei vorsichtshalber durch Kicher-Intermezzos vor der Schwere dieser Ernsthaftigkeit schützen zu wollen. Die schweren Minen der durchweg großartigen Darsteller:innen spiegeln sich in den Kulissen wider. Die brutalistischen Gebäude und gewaltigen Raumschiffe wirken so träge wie der Weg durch die endlose Wüstenlandschaft, die nicht so leer ist, wie es sich die Kolonialisten vielleicht wünschen. Mit „Dune“ zeigt Hollywood, dass es auch noch ein Interesse an echten Filmen hat, hoffentlich vergisst es das nicht bald wieder.
:Henry Klur
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