Interview. Seit Anfang 2020 besteht das Nachhaltigkeitsbüro an der RUB. Die Stelle wird vom Team bestehend aus Anna Krewald, Bianca May und Matthias Thome sowie mit studentischer Unterstützung geführt und koordiniert Projekte sowie Ideen im Bereich Campusbegrünung, und -entwicklung, sowie Klimaschutz. Wir haben mit Matthias Thome über die vielen Sanierungen, Herausforderungen des Grün im Grau, lange Planungszeiten und die Klimazukunft der RUB gesprochen.
Matthias Thome: (…) Der ganze Campus wird im Prinzip saniert. Wir kennen das Thema Schadstoffe sehr gut. Es gab Asbest, dann jetzt PCB als „neue“ Herausforderung und das zieht sich durch. Dazu kommt, dass die vor ca. 50 Jahren errichteten Gebäude eine gewisse Halbwertszeit haben und irgendwann saniert werden müssen. Das ist anstrengend, da fließt unheimlich viel Geld hinein. Das dauert alles lange. Aber es ist gleichzeitig eine Gelegenheit, Dinge gut durchdacht neu zu machen. Ich bin seit zweieinhalb Jahren dabei und was ich gelernt habe ist, dass wir nicht einfach hingehen und sagen können, wir reißen das Gebäude jetzt ab und bauen das sofort in klimaneutraler Form nach.
:bsz: Das ist nicht der Dieselmotor, der durch Elektro ersetzt werden kann.
Genau, in die Richtung. Und dabei gibt es – losgelöst von den Neubauten beispielsweise auf Mark 51°7 – für den zentralen Campus der Ruhr-Universität diverse Vorgaben. Einmal sind es hier zum größten Teil nicht unsere Gebäude, sondern die des BLBs (Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW). Wir sind als RUB im Prinzip nur Mieterin und haben da als solche ein starkes Wörtchen mitzureden. Dazu ist die Uni denkmalgeschützt in der Form, dass u.a. die Silhouetten geschützt sind und Teile der Außenflächen. Manchmal lässt sich sowas verhandeln. Aber man kann jetzt nicht hingehen und sagen, wir machen es in grün und anders nach.
Wenn wir ein Gebäude haben wie zum Beispiel NA, das für einen Ersatzneubau komplett abgerissen und wieder aufgebaut wird; wo können wir da wieder einsteigen? Nachhaltigkeit ist ja ein sehr schwammiger Begriff. Unter Nachhaltigkeit fällt klassisch Ökologie, Ökonomie und Soziales. Das Ökologische und Ökonomische lässt sich im Energiebereich meistens eigentlich relativ gut beziffern. Ökonomisches, da hängt immer Geld dran: Wie viel geht rein, wie viel kostet das? Wie viel steht dann hinterher zur Verfügung? Es gibt zum Beispiel im Energiebereich meistens ein Preisschild. Wie viel kostet das, wie viel verbrauche ich? Das lässt sich ganz klar darstellen. Was nicht so einfach ist, ist so etwas wie der biologische Mehrwert. Dem wollen wir uns nähern.
:bsz: Dazu macht ihr beispielsweise Bestandsanalysen. Was sind allgemeine Felder und was sind vielleicht spezifische Energiefresser, denen ihr euch widmen möchtet?
Also die „Energiefresser“ sind eigentlich immer die Menschen und die Forschung. Das ist auch ein Spannungsfeld. Bei der Forschung kann man schwer sagen: „ihr dürft folgende Großgeräte bitte nicht benutzen, weil die energieintensiv sind“. Die klassischen Energieträger sind Strom, Wärme und Kälte. Das sind die großen Themen, die auch nicht weniger relevant werden. Wenn aktuell geheizt werden muss, muss auch weiterhin geheizt werden. Da stellt sich dann die Frage: Wenn wir ein Gebäude neu bauen, können wir es besser als gesetzlich gefordert ausführen, damit beispielsweise der Heizbedarf nicht so groß ist?
Das andere Thema ist Kälte. Wir merken das auch einfach, es heizt sich auf dem Campus mehr auf. Das ist einfach so bei einer großen Beton-Uni und das wird nicht besser. Da wird Klimaerwärmung direkt spürbar. Das sorgt dafür, dass das nach und nach immer ein drängenderes Thema wird.
:bsz: Das heißt, in den nächsten Jahrzehnten müsste die Uni in mehr Klimaanlagen investieren?
Genau. Das merken wir schon bei den N-Gebäuden. Südseite im Sommer, das ist an manchen Stellen unerträglich. Selbst wenn ein Mensch das aushält, gibt es Forschung, da geht vieles kaputt. Da wird mit Pflanzen, mit Bakterien und Chemikalien geforscht. Dann muss das Labor zum Teil verlässlich heruntergekühlt werden. Da ist es natürlich ein Problem, wenn es so warm wird, dass die ursprünglich vorgesehene und installierte Kälteanlage, die wir haben, nicht mehr ausreicht. Oder du hast neue Forschung, die kommt dazu und du brauchst die Labore dafür, aber die müssen auch gekühlt werden. Wenn nun die erforderlichen Klimaanlagen alle separat gebaut werden müssen, ist die Ressourcenbilanz mehrfach schlecht.
:bsz: Wie sieht denn der Weg von der Idee bis zur Umsetzung aus?
Es wird aktuell an verschiedenen Stellen geprüft, wo wir etwas umsetzen können. Dabei legen wir Wert darauf, dass auf Nachhaltigkeitsaspekte in den Planungsprozessen schon frühzeitig hingewiesen wird und zum Teil noch nachgearbeitet wird. Für das Gebäude NA beispielsweise sind viele wesentliche Entscheidungen schon seit geraumer Zeit fix. Die Finanzierung wird weit vor dem Bau- bzw. Abrissbeginn und damit vor dem Projektstart geklärt. Damit ist der Spielraum in der anschließenden Planung und Umsetzung sehr gering. Das Gebäude wird abgerissen, dann wird es neu gebaut, dann sind fünf Jahre vergangen und wenn es aufgebaut ist, sehen wir zum Teil jetzt schon, dass wir den künftig verlangten Standard mit Blick auf Klimaneutralität rechtzeitig bzw. weit vorab antizipieren müssen.
Dann wären wir zum Beispiel beim Thema Außenflächen. Da sind wir gerade dabei, mit verschiedensten Beteiligten gewisse Herangehensweisen und Standards zu definieren in Rücksprache mit diversen Zuständigen an der RUB, dem BLB und dem Denkmalschutz. Das Schöne, was Begrünung angeht ist, dass wir sagen können, wir versuchen den Nutzen wirklich mit in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Das heißt, wenn wir eine Grünfläche haben, hat die auch einen Kühleffekt, der genutzt werden kann? Alle mögen grün. Man fühlt sich wohler. Das ist zum Beispiel ein Punkt, der nicht so einfach zu beziffern ist. Wohlbefinden, Aufenthaltsqualität ist etwas, wenn es da ist, finden es alle gut. Aber vorher fließt das in die reine Kosten-Nutzen-Rechnung nicht entscheidend mit ein. Da möchten wir ganz gerne hin, dass Aufwand und Nutzen ökologischer Maßnahmen sowie die Steigerung der Aufenthaltsqualität in die Entscheidungsfindung mit einfließen können.
Wie verbindlich sind die Vorschläge, die ihr einbringt?
Als Nachhaltigkeitsbüro wollen wir bewusst eine Beratungsfunktion wahrnehmen. Das Nachhaltigkeitsbüro ist nicht so konzipiert, dass es die einzige Stelle ist, die weiß, wie es geht. Wir haben sehr viel Expertise auf dem Campus. Auch in verschiedenen Bereichen bzw. in unterschiedlichen Fakultäten und Dezernaten. Unser Ansatz ist, dass wir die Koordinationsstelle sind, an der verschiedene Bausteine zusammenlaufen. Wir sind gestartet aus dem Dezernat 5.II mit dem Ansatz, dass wir das unterstützen möchten, was bereits „gute Dinge“ macht und das mit den Mitteln, die wir haben; die derzeit wiederum auch relativ begrenzt sind. Wir finden es absolut sinnvoll, das Thema Nachhaltigkeit nicht nur in Bau und Betrieb zu bearbeiten. Nachhaltigkeit ist einfach ein Schnittstellenthema. Da sehen wir die Chance, dass wir mit unserem Konzept eine Beratungsfunktion wahrnehmen und dabei vernetzen können. Das haben wir auch nicht selten erlebt: Mehrere Personen oder Gruppen, die gute Ideen haben, die aber bestenfalls schon bearbeitet werden oder im Sinne einer gemeinsamen Bearbeitung zusammengeführt werden. Die Uni ist riesig und es ist passiert so viel, dass es manchmal schwer ist, in Echtzeit einen Gesamtüberblick zu behalten.
:bsz: Was steht denn in den nächsten Monaten an?
Was wir konkret vorhaben, ist der Bachlauf im Querforum Ost. Da wird in den nächsten drei, vier Monaten eine geförderte Potenzialstudie durchgeführt, bei wir verschiedene Beteiligte an den Tisch holen. Einmal in Form von Planungsexpertise bzw. über ein Ingenieurbüro, das feststellt, was in technischer Hinsicht gemacht werden müsste, damit der Flusslauf wieder funktioniert. Wo ist es eigentlich kaputt? Das hatte in der Vergangenheit nicht die höchste Priorität, da es akut keine direkte Gefahr für Menschen auf dem Campus darstellt. Trotzdem kann das kein Dauerzustand sein. Deswegen haben wir das angestoßen. Was wir dazu noch machen möchten, ist, Expertise nach Möglichkeit über Lehrstühle einzuholen. Zu sagen, kommt gerne dazu und gebt Hinweise, wie es wir es möglicherweise besser machen können. Also den Flusslauf nicht nur eins zu eins reaktivieren. Damit beispielsweise die Begrünung, die es bereits gibt, vielleicht nochmal konzeptioniert wird mit Expertinnen und Experten aus der Biologie und der Geografie, die dann Hinweise auf eine „biodiversitäts-förderlichere“ und mikroklimatisch begünstigende Begrünung geben. Oder die Expertise aus dem Bereich der Umwelttechnik und der Wasserwirtschaft mit hinzunehmen; zum Beispiel um durch kleine bauliche Maßnahmen auch Regenwasser mit einzuleiten, somit die Kanalisation zu entlasten und den Frischwasserbedarf zu minimieren.
Das Interview führte :Stefan Moll
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