Dokumentarfilme. Dokumentarfilme sind omnipräsent in den Medien und einige Beispiele sind fest im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert. Doch sie sind dabei nicht ohne Probleme und Kontroversen.
In einer derart stark von Medien geprägten Zeit wie der unseren werden soziale und politische Probleme immer auch auf den Bildschirmen der Kinos, Fernseher, Computer und Smartphones ausgetragen – ob dies nun in Form von fiktionalen Filmen und Serien, Live-Übertragungen von Debatten, Talkshows, Werbung oder Dokumentarfilmen geschieht. Letztere bilden dabei eine interessante Zwischenform von Sachliteratur und Unterhaltung, da sie zumindest den Anspruch haben Fakten darzustellen, dabei jedoch weiterhin gewisse narrative Formen nutzen, um diese vermeintlichen Fakten auf mitreißende und einnehmende Art zu vermitteln. Es ließe sich sogar argumentieren, dass letztere Aspekte wichtiger für einen erfolgreichen Dokumentarfilm sind als die zugrundeliegenden Fakten. Besonders bei solchen Filmen und Serien, die sich mit komplexen Problemen auseinandersetzen, stellt sich die Frage, welchen Effekt sie in der Bewusstseinsschaffung und Bildung haben können. Auch akademische Arbeiten haben sich bereits damit beschäftigt, ob und wie diese Art der Unterhaltung soziale Veränderungen antreiben kann.
Der 2006 veröffentlichte Dokumentarfilm „Eine unbequeme Wahrheit“ von und mit dem ehemaligen US-Vize-Präsidenten Al Gore wird oft als eines der wichtigen frühen Ereignisse der modernen Klimadebatte bezeichnet. So prägte er das Wort „Klimakrise“ im öffentlichen Diskurs und schaffte Bewusstsein für das Ausmaß der Erderwärmung. Untersuchungen um das Jahr 2010 kamen jedoch zu keinem einheitlichen Ergebnis, ob daraus auch aktive Änderungen im individuellen Verhalten resultierten. Neben Vorwürfen der Panikmache und vergleichen mit Mein Kampf – vor allem durch konservative politische Akteure – wurde jedoch auch kritisiert, dass die Auswirkungen auf in der Arktis lebende indigene Völker nicht behandelt wird.
Auch Dokumentarfilme und -serien, die sich nicht direkt mit Problemen wie der Erderwärmung auseinandersetzen, sondern primär das Leben unterschiedlicher Tierarten darstellen, ohne dabei jedoch die bereits sichtbaren Folgen der Veränderungen des Klimas zu unterschlagen, haben Umfragen zufolge Einfluss auf das Bewusstsein des Publikums für diese Krise. Fahrenheit 9/11 und Food, Inc. sind weitere Beispiele dafür, dass aus dem Nischengenre schon länger ein erfolgreicher Zweig der Filmindustrie geworden ist, und Seaspiracy sowie Tiger King beweisen, dass sich dieser Erfolg auch in der Zeit der Streaming-Dienste fortsetzt. Letztere Serie zeigt aber auch, wie die Darstellung in derartigen Medien negative Auswirkungen haben kann; Bezichtigungen des sexuellen Missbrauchs gegen die Hauptfigur wurden wohl gezielt ausgelassen, um ihn als zwar exzentrisch aber weiterhin sympathisch darstellen zu können – so zumindest stellen es manche Vorwürfe gegen das Produktionsteam dar. Auch resultierte die Serie in Stalking und Morddrohungen gegen die ebenfalls in der Serie dargestellte Tierrechtsaktivistin Carole Baskin. Alles in allem Beispiel genug dafür, was passieren kann, wenn der Unterhaltungsfaktor schwerer wiegt bei der Konzeption als der Faktengehalt und Neutralität. Allein durch ihre Reichweite sind Dokumentarfilme ein wichtiges Werkzeug in der Informationsverbreitung, doch sind sie dabei in keinem Fall immun gegen Verfälschung und Überzeichnung, ob nun zum Zwecke der Unterhaltung oder als Teil einer aktiven Desinformationskampagne.
:Jan-Krischan Spohr
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