Kommentar. Der Schwanzvergleich zwischen Musk, Bezos und Branson verdeckt, worum es wirklich geht, im neuen Space Race: wirtschaftliche und militärische Interessen.
Viele Medien sprachen von einem Egotrip der Superreichen: Die Unternehmer Elon Musk (Tesla und SpaceX), Jeff Bezos (Amazon und Blue Orgin) und Richard Branson (Virgin) eiferten kürzlich um die Wette, wer schneller und weiter ins Weltall vorstoßen könne. Wer dabei angesichts von Klimawandel und Pandemie den Eindruck hatte, dass wir es hier mit einer – in der Sache altbekannten, in der Form aber neuen – perversen Ausgeburt des Kapitalismus zu tun haben, die die Gestalt pubertärer Rivalitäten zwischen ein paar Multimilliardären annimmt, hatte nicht ganz unrecht. Und wer findet, dem müsse man beikommen, indem man den Jungs ihr teures Spielzeug wegnimmt, um damit sinnvolles anzustellen, hat moralisch in jedem Fall ein besseres Standing als jene, die diesem Treiben zwar mit Unverständnis zusehen, aber glauben, Freiheit bedeute auch das Recht zu haben, Millionen an Geldern verbrennen und Tonnen CO2 in die Luft blasen zu dürfen, ohne dass die Gesellschaft diesem asozialen Treiben Einhalt gebietet.
Aber leider geht es um mehr als nur eine Art neuer S-Klasse für Superreiche ab 50. Hinter dem neuen Space Race steht eine noch viel größere Perversion: Der Weltraum soll privatisiert werden. Der Neoliberalismus macht längst nicht mehr halt vor der kritischen Infrastruktur; Luftfahrt und Bahnen sind schon lange in Teilen oder ganz privatisiert und werden nur im Falle von Krisen mit Steuergeldern gerettet. Nun soll es auch die Raumfahrt treffen, die teuer ist und bislang wenig attraktiv für Privatunternehmen schien, sondern primär staatliche Aufgaben übernahm. Seit letztem Jahr hat die NASA ihre Flüge auf SpaceX ausgelagert. Virgin und Blue Orgin planen indes, den Weltraum für Tourismus zu erschließen.
Bisher allerdings diente die Raumfahrt primär der Militärtechnik. Das wird wohl auch vorerst so bleiben. Das machte die Bundeswehr (BW) kürzlich deutlich. Als noch Trump 2018 ankündigte, das Space Command der Air Force in eine eigene Space Force umzuwandeln, wurde er wieder einmal für verrückt erklärt. Auch deutsche Medien stimmten in den Chor ein, demzufolge Politik von solchen Dingen, wie den persönlichen Macken eines US-Präsidenten bestimmt werde. Nun, ziemlich genau drei Jahre später, kündigt die BW an, ebenfalls eine Spezialeinheit für den Weltraum aufstellen zu wollen. Diesmal lacht keiner.
Die Weltraumeinheit ist Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (CDU) zufolge rein „defensiv“ – genau wie die Besetzung Afghanistans, die nach 20 Jahren und einer Viertelmillion Toten abgebrochen wurde; oder die Militäraufmärsche der BW in Osteuropa, im Schwarzen Meer und im Indopazifik, die alle weder Russland noch China provozieren sollen. Genannt werden etwa die Überwachung eigener Satelliten und der Schutz vor Weltraumschrott. Zu diesen „defensiven“ Weltraumoperationen gehören wohl aber auch solche, wie sie die BW erst im März mit ihren EU-Partner:innen geübt hat, nämlich das gezielte Blenden gegnerischer Objekte. Außerdem klingen Satelliten zunächst vielleicht harmlos, doch wenn man weiß, dass GPS ein Produkt des US-Militärs ist, sieht die Sache wieder anders auch. Auch die Bundeswehr verfügt über eigene Satelliten. Sie dienen der Weltraumspionage und der Überwachung von Bodeneinsätzen der Armee – und sie dürften wichtig für den Einsatz von Kampfdrohnen werden, auf die die BW seit Jahren hinarbeitet und für die im Bundestag dank SPD und Grünen bald Mehrheiten bereitstehen dürften.
:Leon Wystrychowski
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