Eurovision. In einer Ausgabe unter Corona-Bedingungen konnte der diesjährige Eurovision Song Contest wieder stattfinden. Eine kleine Abhandlung zu seiner Geschichte und den Hintergründen kriegt Ihr hier.
Der Eurovision Song Contest ist zurück! Nach der ersten Pause in der 66-jährigen Geschichte des Wettbewerbs im Jahr 2020 – aufgrund der Corona-Pandemie – fanden im Zeitraum vom 18. bis 22. Mai die Halbfinals sowie das Finale der diesjährigen Ausgabe in Rotterdam statt. Gewonnen hat die italienische Band mit dem dänischen Namen: Månesik (Mondschein) mit ihrem Lied „Zitti e buoni“ („leise und brav“), die beim Jury-Vote nur auf dem vierten Platz gelandet ist, bei den Zuschauer:innen-Stimmen jedoch punkten konnte. Deutschland blieb sich treu und landete mit Kandidat Jendrik „Jendrik“ Sigwart und seinem Song „I Don‘t Feel Hate“ auf dem 25. Platz, wie bereits das Pop-Duo S!sters im Jahr 2019. Doch was genau ist der große Musikwettbewerb, der für einige das campy, kitschige Ereignis des Jahres ist?
1957 fand zum ersten Mal der Gran Premio Eurovisione della Canzone Europea in Lugano in der Schweiz statt, mit nur sieben teilnehmenden Ländern und einem nur entfernt wiederzuerkennenden Konzept. Dennoch wurde damals das grundlegende Konzept etabliert, welches sich in den folgenden Jahrzehnten zu dem entwickelt, was man heute kennt: Mitglieds-Nationen der Europäischen Rundfunkunion (EBU) – die nicht unbedingt in Europa liegen müssen – schicken Interpret:innen in einen Wettstreit gegeneinander, wobei der:die beste Komponist:in ausgezeichnet wird. Im aktuellen Abstimmungsverfahren vergeben dabei alle Länder die mindestens in einem der Halbfinals angetreten sind jeweils durch eine Jury und eine Telefonabstimmung Punktesätze. Die Punktesätze bestehen aus 1 bis 8 Punkten, sowie 10 und 12, die unter den besten zehn Liedern vergeben werden und nicht an das eigene Land verteilt werden können. Gewinnen tut der Song, der in der Gesamtheit von Jury- und Zuschauer-Voting die höchste Punktzahl erreicht. Üblicherweise trägt das Land, dessen Lied die vorherige Ausgabe gewinnt, die Ausgabe im folgenden Jahr aus. So war es auch bei der diesjährigen Ausgabe, die in den Niederlanden stattfand, da der niederländische Songwriter und Sänger Duncan Laurence beim Eurovision Song Contest 2019 in Tel Aviv den ersten Platz belegte. Damit waren die Niederlande zum fünften Mal Austragungsort des Wettbewerbs.
Der Song Contest geht mit einigen Klischees einher, die für viele Zuschauer:innen jedoch zum Charme beitragen. Dazu gehören fragwürdige englische Aussprache sowie bombastische Auftritte mit Pyrotechnik, Lichtshows und Outfits die zwischen Flamboyanz, nationalistischem Kitsch und camp hin und her pendeln. Nicht selten scheint eine „Guck mal wie komisch die da sind“-Mentalität mitzuschwingen, wie beispielsweise als die in Fantasy-Horror-Kostüme gekleidete Glam/Power Metal Band Lordi aus Finnland im Jahr 2006 den Wettbewerb für sich entschieden. Camp ist dabei ein gutes Stichwort, denn das englische Wort beschreibt einen Stil der von überzeichneten und artifiziell wirkenden ästhetischen Aspekten geprägt ist und eng mit Praktiken der LGBTQ*-Community verbunden ist. Seit den 90ern gab es einige unterschiedlich erfolgreiche Teilnehmer:innen aus der Community wie den isländischen Sänger Paul Oscar, der als erster offen schwuler Künstler ins Rennen geschickt wurde, die israelische Sängerin Dana International, die 1998 als erste trans Frau am Contest teilnahm und auch gewann, sowie Thomas Neuwirth, der als seine Drag-Persona Conchita Wurst 2014 für Österreich antrat und den ersten Platz belegte. Auch politische Spannungen in und zwischen teilnehmenden Ländern, die sich teilweise in den Texten widerspiegelten, sorgten in der Vergangenheit oft für Aufruhr. Alles in allem ist der Eurovision Song Contest eine höchst interessante Veranstaltung, ob man die Beiträge nun musikalisch ansprechend findet oder nicht. Zumindest liefert er, nun endlich wieder, Jahr für Jahr für ein paar Wochen Gesprächs- und Diskussionsstoff.
:Jan-Krishan Spohr
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