Hochschulpolitik. Auch dieses Semester wird es keine Wahl des Studierendenparlaments geben. Das hat der AStA der Ruhr-Universität vor Kurzem entschieden.
Die Wahl des Studierendenparlaments (StuPa) ist normalerweise ein jährliches Ereignis. Der eigentliche Termin zur neuen Wahl wurde jedoch bereits im Dezember 2020 aufgrund der Corona-Pandemie verschoben und sollte stattdessen in den kommenden Wochen stattfinden. Auch dieser Termin wurde nach einem Beschluss des AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss nun verschoben, und zwar in die Woche vom 6. bis 10. Dezember 2021. Diese Entscheidung darf der Studierendenausschuss laut der Corona-Epidemie-Hochschulverordnung treffen. Laut AStA-Vorsitzendem Ron Agethen (NaWi) sei eine Online-Wahl nicht umsetzbar, und eine reine Briefwahl würde die finanziellen Mittel der Studierendenschaft zu sehr beanspruchen, und führe zu niedrigerer Wahlbeteiligung – das Beispiel der Uni Münster wird dazu herangezogen. Zur Umsetzung einer Online-Wahl sei die Unterstützung externer IT-Dienstleister von Nöten, zu denen bisher durch das StuPa kein Kontakt aufgenommen worden sei. Die Entscheidung zur Verschiebung habe eine interne AStA-Kommission getroffen. Kritisch merkte Agethen außerdem an, dass die Wahlkommission sich seines Erachtens nicht genügend an der Findung einer Lösung beteiligt habe.
Dem widerspricht die oppositionelle Liste GRAS, die starke Kritik an dem Prozess der Entscheidungsfindung hat. So sei die Opposition nicht genügend involviert gewesen, und zudem habe der AStA Treffen einberufen, die zur Klärung beitragen sollten, auf denen jedoch vorher gemachte Versprechungen nicht eingehalten worden seien. Außerdem gebe es genügend Beispiele – wie die Uni Wuppertal –, bei denen eine Briefwahl sogar zu einer höheren Wahlbeteiligung geführt habe. Die Universität sei zusätzlich dazu verpflichtet, sich am Verwaltungsaufwand für die Wahl zu beteiligen und auch eine Briefwahl zu unterstützen, wenn diese laut der Wahlordnung des StuPa möglich ist. Außerdem habe der AStA der Opposition nicht genügend Möglichkeit zur Stellungnahme bezüglich der Wahlverschiebung gegeben. Uğur İnce, Abgeordneter der Internationalen Liste (IL), bemängelte dagegen die geringe Beteiligung an der Findung einer Lösung und rief zu mehr Zusammenarbeit auf. Eben die Zusammenarbeit sei jedoch erschwert worden, weil wichtige Informationen nicht kommuniziert worden seien, so Nick Linsel von der Linken Liste. Abgeordnete der Listen, welche den aktuellen AStA stellen, sprachen wiederum wiederholt von fehlender Kooperation und merkten an, dass der Beschluss zur Verschiebung nun schon gefällt sei, während die Opposition besonders anmahnte, dass das aktuelle Parlament nur eine fragwürdige demokratische Legitimierung habe und eine weitere Verschiebung dafür sorge, dass viele Studierende sich an den politischen Prozessen der Studierendenschaft beteiligen. AStA-Finanzreferent und Abgeordneter der Liste NaWi, Talha Demirci, merkte daraufhin an, dass man sich auch beteiligen könne, wenn keine Wahlen stattfinden. Man handle außerdem im Sinne der Studierendenschaft. Die Listen GRAS und LiLi brachten einen Antrag ein, der die Möglichkeit einer Briefwahl in der Wahlordnung verankern sollte, und auch ermöglicht hätte, noch im aktuellen Sommersemester eine Wahl abzuhalten. Über diesen wurde diskutiert, und einige inhaltliche Änderungen wurden durchgeführt, bevor über ihn abgestimmt wurde. Mit 17 Stimmen für den Antrag, 8 Stimmen dagegen und 10 Enthaltungen wurde der Antrag nicht angenommen und daraufhin in den Wahlausschuss weitergegeben. Dabei scheiterte der Antrag an den Nein-Stimmen und Enthaltungen der AStA-stellenden Listen NaWi, IL, ReWi, GeWi, Julis und der unabhängigen Liste RCDS. Die Verschiebung der Wahl bleibt somit weiterhin bestehen, und ein weiteres Semester wird vorbeigehen, bevor die Studierenden der Ruhr-Universität die Möglichkeit haben, ihr höchstes beschlussfassendes Gremium zu wählen.
:Jan-Krischan Spohr
GRAS
[…] Wir halten eine Wahl in Form einer Briefwahl für durchführbar und dringend notwendig um die politische Legitimität des StuPas aufrecht zu erhalten. Dass eine reine Briefwahl möglich ist hat die Senatswahl im letzten Jahr gezeigt. […] Besonders Studierende, die erst 1-2 Semester an der RUB studieren, konnten noch nie an einer Wahl teilnehmen und sind somit stark in ihrem demokratischen Recht eingeschränkt.
iL
Die Parlamentarier:innen der IL möchten die Wahlordnung in den zuständigen Ausschüssen zunächst an die Gegebenheiten der Zeit anpassen, also Online- und Briefwahl-Möglichkeiten vollständig ausschöpfen und ausreichend vorplanen. […] Vor allem muss die Wahl für alle interessierten Studierende ermöglicht und transparent gemacht werden. Dafür stehen unsere Parlamentarier:innen auch, aber es zeigte sich leider wenig Engagement innerhalb des StuPa – und das listenunabhängig. […]
NAWI
Die kurzfristige reine Briefwahl ist aus angesprochenen Gründen keine Lösung. Hinzu kommt, dass wir sichere digitale Wahlen als Option in der Wahlordnung nicht außer Acht lassen wollen, um allen legitimierten Wähler:innen langfristig ihre Stimmabgabe zu ermöglichen. Gerade in Anbetracht der aktuellen Lage muss berücksichtigt werden, dass viele ihren Wohnstandort kurzfristig auch teilweise über die Bundesgrenze hinaus temporär verlagern.
LiLi
Die Linke Liste kritisiert sowohl den Prozess, der zur Wahlverschiebung führte, als auch diese selbst. […] Als zentraler Grund sollen die pandemische Lage, das fehlende Wahlkonzept und eine angeblich geringe Wahlbeteiligung bei einer Briefwahl herhalten; […] schon seit Oktober 2020 werden konkrete Vorschläge der Opposition zur Ermöglichung einer Wahl, wie auch auf der letzten StuPa-Sitzung, abgelehnt. […]
GEWI
Die GeWi hält es bei der aktuellen und absehbaren
Coronalage für unverantwortlich, auf Biegen und Brechen eine wie auch immer geartete Wahl durchführen zu wollen. Die Sicherheit der Studierenden, selbstverständlich inklusive dem Wahlausschuss, und eine möglichst weitgehende Kontaktreduzierung wiegen für uns schwerer als das ebenfalls hohe Gut der demokratischen Partizipation.
ReWi
Gerade von unserer Liste kamen sehr viele Änderungsvorschläge, die auch von der Liste GRAS übernommen worden sind. Dennoch wirkte der Vorschlag wie mit einer heißen Nadel gestrickt, so dass wir letztenendes nicht zustimmen konnten. Gerne bringen wir uns jetzt in den Ausschüssen ein, für eine gute Änderung der Wahlordnung. Für uns ist klar, dass die Wahl im Dezember stattfinden wird […]. Ob es eine Briefwahl sein wird oder Onlinewahlen ist dabei noch offen.
Julis
[…] Wir Jungen Liberale an der RUB setzten uns schon seit mehreren Jahren für die Umsetzung von digitalen Wahlen ein. […] Die Beispiele der Universität zu Kiel oder dem Karlsruher Institut für Technologie zeigen, das eine digitale Wahl sicher durchgeführt werden kann. […] Eine reine Briefwahl, wie von den antragstellenden Listen ursprünglich vorgeschlagen, erfordert erheblichen Verwaltungsaufwand sowie Verwaltungskosten. […] Diese Kosten kann die Studierendenschaft nicht tragen […].
SDS
Dass bei der vergangenen StuPa-Sitzung die bevorstehende StuPa-Wahl erneut verschoben wurde, bewertet der SDS Bochum als höchst problematisch. Wir unterstützen den Antrag der GRAS […]. Das Argument, eine Briefwahl würde die Wahlbeteiligung senken und das neue StuPa sei somit nicht demokratisch legimtimiert, halten wir für nicht stichhaltig; undemokratisch ist vielmehr ein AStA, der sich eigenmächtig für ein zusätzliches Jahr im Amt hält.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass der Antrag zur Änderung der Wahlordnung von der Liste GRAS eingebracht wurde. Der Antrag wurde von den Listen GRAS und LiLi eingebracht.
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