Kommentar. FDP und Union jubeln – der Mietendeckel wurde abgesägt. Doch die erfolgreiche Klage ist möglicherweise vielmehr der letzte Sargnagel.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht das vielleicht ambitionierteste Sozialpaket der letzten Jahrzehnte gekippt – den Berliner Mietendeckel. Für die Mieter:innen bedeutet dies nun in vielen Fällen, dass aufgestaute Mietnachzahlungen fällig werden, die sich seit Anfang 2020 angestaut haben. Rund 40.000 Personen sollen davon nun betroffen sein. Dass die Eintreibung der Gelder, die sich aufgrund der teils großen Differenz aus vertraglicher Miete und gesetzlichem Mietdeckel gerne im Bereich vieler tausend Euro befinden keinen Zweck hat, scheinen zumindest auch die großen Unternehmen eingesehen zu haben. Denn Vonovia sowie Deutsche Wohnen, von deren Wohnungsbestand rund 70 Prozent in Berlin sind, haben verlauten lassen, nicht auf der Eintreibung der Mieten zu bestehen oder Mieter:innen aus den Wohnungen zu werfen. Sicherlich wird dahinter auch ein finanzielles Kalkül stehen, denn laut einer Umfrage der Sparkasse Berlin haben 47 Prozent der Berliner:innen keine Finanzpolster aufgebaut. In einer fast zeitgleich mit Beginn des Mietendeckels beginnenden Pandemie mag man ihnen das auch nachsehen. So würden den Mietvereinen wohl mehr Folgekosten und ausfallende Monatsmieten entstehen, als es der Aufwand wert ist.
Doch der Hauptgrund für die Nachsicht ist mit Sicherheit die aktuelle politische Situation. Mit der Bürger:inneninitiative „Deutsche Wohnen enteignen!“ läuft aktuell die Abstimmung, die Enteignungsfrage zusammen mit der nächsten Bundestagswahl zu klären. Nun wollen die Unternehmen den Ball flach halten, um die entgeisterten und enttäuschten Mieter:innen zu beschwichtigen und keine Stimmung für den Volksentscheid zu schüren. Doch gerade jetzt hat sich gezeigt, dass enteignet werden muss – in Berlin und darüber hinaus – wenn sich Vonovia und Deutsche Wohnen weiterhin großer Profite erfreuen können und trotz Verzicht auf Nachzahlung Mieter:innen wieder unbezahlbaren Wucher zahlen. Denn die Situation am Mietmarkt, egal ob in Berlin oder in vielen anderen Städten, ist nicht mehr tragbar. Wohnen ist zum Leben, nicht um Rendite zu scheffeln!
:Stefan Moll
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