Islamo-gauchisme. Um ihren islamfeindlichen Kurs voranzutreiben, legt sich die Macron-Regierung mit dem Hochschulwesen an – und stößt auf heftigen Widerstand.
In Frankreich geistert ein Wort durch Medien und Politik: „Islamo-gauchisme“, gerne mit „Links-Islamismus“ übersetzt, bedeutet er eigentlich „Islamo-Linksextremismus“. Er geht auf den neokonservativen Soziologen Pierre-André Taguieff zurück, der ihn Anfang der 2000er prägte, um eine angebliche Allianz aus sogenannten Islamist:innen und „Linksextremist:innen“ zu beschreiben, die eine vermeintliche Allianz eines israelbezogenen Antisemitismus eingingen.
Spätestens seit dem Mord an dem Lehrer Samuel Paty im vergangenen Jahr ist die Wortkreation zum Lieblingsslogan von konservativen Politiker:innen, bürgerlichen Feminist:innen und radikalen Rechten geworden. Denn nach dem Mord hatte sich die seit Jahren in Frankreich angefachte Islamfeindlichkeit in Angriffen auf Muslim:innen und Moscheen entladen. Weil sie sich vor die von Rassismus betroffenen gestellt hatten, trafen dieser Hass und diese Gewalt auch linke Kräfte, vor allem die Kommunistische Partei Frankreichs. Die antirassistische Solidarität, die mäßigenden Worte und die Erklärungsversuche, die islamistische Gewalt in den Kontext von neokolonialen Kriegen, globalen Ausbeutungsverhältnissen und virulentem Rassismus einbetteten, wurden sowohl von der Regierung als auch der politischen Rechten zu einer angeblichen Verteidigung dieser Gewalt durch die Linke umgedeutet. Der Vorwurf traf neben der Kommunistischen Partei und weiteren kleineren linken und linksradikalen vor allem auch migrantische Organisationen.
Mittlerweile greift die Kampagne auch auf die Unis über: Macrons Wissenschaftsministerin, Frédérique Vidal, behauptete kürzlich in einem Interview, der „Islamo-gauchisme“ habe die Universitäten und die Gesellschaft „vergiftet“. Sie kündigte eine Untersuchung in der staatlichen Wissenschaftsorganisation Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und an den Universitäten an. In einer weiteren Stellungnahme hatte sie neben dem „Islamo-gauchisme“ zudem die Thematisierung von Rassismus an den Universitäten und die Auseinandersetzung mit den Post Colonial Studies als problematisch bezeichnet. Als Beispiel für die Einschränkung von Meinungsfreiheit durch „militante Linke“ verwies sie auf eine Theateraufführung an der Sorbonne Université, die wegen Black Facings von Aktivist:innen gestört und verhindert worden sei.
Dieser Vorstoß scheint ihr jetzt auf die Füße zu fallen. Heftige Kritik kam nämlich nicht nur von der linken Partei La France insoumise, , deren Abgeordnete Bénédicte Taurine die Ankündigung als „Hexenjagd“ bezeichnete, während der Parteiführer Jean-Luc Mélenchon Vidal vorwarf, eine „Gesinnungspolizei“ einrichten zu wollen, sondern auch von der Konferenz der Hochschulvorsitzenden: „Islamo-gauchisme“ sei „kein Konzept, sondern ein Pseudobegriff“ und zähle zu den „Schlagworten der extremen Rechten“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme.
Vidal hatte das betreffende Interview, in dem sie den Schritt ankündigte, passenderweise auch dem Fernsehsender CNews gegeben, der als Sprachrohr der Rechtskonservativen bis extremen Rechten gilt. Der zunehmende Widerstand sowohl von Linken als auch von Akademiker:innen hat die Regierung Macron mittlerweile dazu gezwungen, sich von Vidals Äußerungen zu distanzieren: Man erklärte die „Verbundenheit“ mit den „Prinzipien der freien Wissenschaften und der Unabhängigkeit der Forscher“. Vidal gilt als Vertreterin von der rechtsaußen Position in Macrons Kabinett. Ihr Auftritt wird von Beobachter:innen als Zugeständnis an die rechte Wählerschaft verstanden, die zu Marine Le Pens Rassemblement National tendiert.
:Leon Wystrychowski
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