Kommentar. In Griechenland wurde ein autoritäres Hochschulgesetz verabschiedet, durch das bewaffnete Polizist:innen auf dem Campus dauerhaft patrouillieren können.
Sonderbeamt:innen, auf dem Gelände der griechischen Universitäten patrouillierend, ausgerüstet mit scharfen Waffen und dem Ziel, aufkommende Protestaktionen zu verhindern. Dieses Bild wird sich zukünftig an griechischen Unis abspielen. Denn diesen Monat beschloss die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia zusammen mit Stimmen der rechtsextremen Partei Elliniki Lysi (Griechische Lösung) ein Hochschulgesetz, das neben erweiterten Befugnissen für Polizist:innen auch Maßnahmen wie eine dauerhafte Videoüberwachung sowie Einlasskontrollen und „Disziplinarräte“ zum Ausschluss von Studierenden vorsieht, die bei Fällen von „Lärmbelästigung“ oder dem Plakatieren des Hochschulgeländes eingesetzt werden können. So will man Unruhen – sprich: Protesten – an Unis an den Kragen gehen, die überwiegend von linken Demonstrierenden ausgehen und sich beispielsweise gegen Lehrveranstaltungen oder die Universitätsverwaltung richten.
Selbstverständlich findet das Gesetz wenig Freund:innen. Sowohl Studierende als auch Professor:innen protestierten, die griechische Hochschulrektor:innenkonferenz sprach sich gegen das Gesetz aus und die Opposition ist ohnehin dagegen. Doch auch die Polizeigewerkschaft stellt sich gegen das Hochschulgesetz. Eine Polizeipräsenz würde eskalierend wirken, anstatt für Ordnung zu sorgen, so die Polizist:innenvertretung. Die Gesetzesnovelle hat in Griechenland zudem noch einen nennenswerten historischen Hintergrund: Denn aufgrund eines sogenannten Hochschulasyls durften Polizist:innen nach der Militärdiktatur von 1967 bis 1974, bei der Studierendenproteste brutal niedergeschlagen wurden, nicht das Universitätsgelände betreten. Diese Regelung wurde 2019 von der konservativen Regierung abgeschafft, um die Weichen für das nun beschlossene Hochschulgesetz zu legen. 1973 starben bei den Protesten der Studierenden gegen die Militärjunta 23 Menschen und auch nun ging die griechische Polizei gewaltsam gegen die Proteste vor, bei denen zehntausende Studierende seit Wochen in den griechischen Städten protestierten. Neben 52 Festnahmen in Athen und Angriffen gegen Journalist:innen führte die Polizeigewalt laut mehreren Medienberichten zu Krankenhauseinweisungen.
Dass ein Protest von Studierenden nun bereits gewaltsam niederzuschlagen versucht wurde, zeigt sehr deutlich, welche Verhältnisse an griechischen Hochschulen demnächst wohl zu erwarten sind. Es zeigt auch, mit welchem überproportionalen Eifer rechte Parteien gegen vereinzelte linke, störende Proteste vorgehen. Denn als Grund für die Notwendigkeit der Reformen führen Politiker:innen der Nea Dimokratia einen Fall an, bei dem ein Büro verwüstet wurde, einen anderen, bei dem eine Veranstaltung gestört wurde. Wenn das das Ausmaß linker Unruhen an Universitäten ist, dann bleibt eher die Frage, wo die studentische Protestbewegung überhaupt ist, und nicht, in welche Gewahrsamsstelle sie abzuführen seiw. Derweil skandalisiert Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis den griechischen Campus jedoch als eine Brutstätte von Kriminalität und Verdorbenheit, bei der historische Gebäude geplündert, Dozierende verprügelt und Frauen vergewaltigt würden. Es ist die typische Überdrehung, die sich in den Entsittungs-Fantasien von Rechten auf der ganzen Welt wiederfinden lässt, mit denen sie autoritäre Repressionen erlassen, die die Zelle eines demokratischen Protests bereits im Keim ersticken will, aber händeringend nach Rechtfertigungen scharren muss.
:Stefan Moll
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