Pandemie. Früher als gehofft und erwartet sind nun Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 auf dem Markt und werden zum Einsatz gebracht, auch in Deutschland. Wie funktionieren sie und wie unterscheiden sie sich?
Eine Hoffnung in einer schweren Zeit: Nachdem in Deutschland zuerst der Impfstoff Tozinameran von BioNTech und Pfizer zugelassen wurde, erhielt am 6. Januar auch das Mittel von Moderna die Zulassung – empfohlen durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und entschieden durch die EU-Komission. Eine Entscheidung über die Zulassung eines Impfstoffes des Unternehmens AstraZeneca wird Ende Januar erwartet. Ihren Ursprung haben Impfungen Im späten 18. Jahrhundert. Damals wurden Fälle bekannt, in denen Menschen, die zuvor an Kuh- oder Pferdepocken erkrankten, immun gegen die weitaus gefährlicheren Pocken (Orthopoxvirus variolae) waren. Der englische Mediziner Edward Jenner popularisierte diese Methode und prägte den Begriff „vaccination“ (von lateinisch vacca ‚Kuh‘). Die Antigene der weniger gefährlichen Variante hatten dabei eine Abwehrreaktion des Immunsystems verursacht, die gegen die gefährlichere Variante auch effektiv war. Bei dieser Art von Impfstoff spricht man von einem „Lebendimpfstoff“ – selbst bei Viren, die keine Lebewesen sind. Moderne Lebendimpfstoffe sind in der Regel attenuiert, ihre krankmachenden Eigenschaften wurden also gezielt verringert. „Totimpfstoffe“ hingegen enthalten inaktivierte oder abgetötete Krankheitserreger, oder Bestandteile dieser. Dadurch können diese sich nicht vermehren, lösen jedoch trotzdem eine Immunreaktion aus.
Die eher neueren Varianten sind die sogenannten genbasierten Impfstoffe, wozu sowohl der Vektorimpfstoff von AstraZeneca als auch die beiden mRNA-Impfstoffe gehören. Statt, dass das Immunsystem mit dem Antigen des jeweiligen Virus konfrontiert wird, müssen bei diesen Stoffen die Körperzellen das Antigen zuerst selbst herstellen. Da für die Produktion also keine große Mengen Viren gezüchtet werden muss, können diese Impfstoffe schneller entwickelt werden als andere Varianten. Bei Vektorimpfstoffen wird dazu ein Gen des betreffenden Virus einer harmloseren Variante beigefügt. Im Falle des Impfstoffes gegen das Corona-Virus wird ein Schimpansen-Erkältungsvirus genutzt, welches so verändert wurde, dass Körperzellen bei Kontakt das Spikeprotein von Sars-CoV-2 produzieren, gegen welches das Immunsystem dann Antikörper und T-Zellen herstellt, welche auch gegen eine Infektion mit dem eigentlichen Sars-CoV-2 schützen. Bei mRNA-Impfstoffen ist nur die in Lipidnanopartikeln gehüllte Boten-RNA – also das Transkript eines Teils der DNA – enthalten, welche die genetischen Informationen zum Aufbau eines Proteins enthält. Nachdem diese abgelesen und übersetzt wird, und basierend auf ihr das Protein (in diesem Fall das Antigen von Sars-CoV-2) produziert wurde, wird sie in ihre Einzelteile zerlegt, welche zwar zum Aufbau neuer RNA-Moleküle genutzt werden kann, aber durch die Zersetzung völlig harmlos werden.
Meist enthalten Impfstoffe auch noch „Adjuvantien“, auch „Wirkverstärker“ genannt. Das sind Stoffe, die vor allem die Menge an für den Impfstoff nötigem Antigen verringern, die Wirkung der Immunisierung auf eine breitere Reihe an Erregerstämmen ausweiten können und ausbleibender Impfwirkung vorbeugen. Das meistverbreitete Adjuvans ist Aluminiumhydroxid. Die Viren für Tot- und Lebendimpfstoffe werden außerdem teilweise in Hühnereiern gezüchtet, und die Mittel enthalten demnach Spuren von Hühnereiweiß. Unter anderem diese Stoffe können allergische Reaktionen auf Impfstoffe verursachen. Üblicherweise werden 1,3 Fälle von Allergischen Reaktionen pro 1.000.000 Impfungen erwartet, bei Tozinameran waren es jedoch laut Zahlen des amerikanischen Center for Disease Control and Prevention (CDC) von Dezember 11.1 Fälle pro 1.000.000 Impfungen, wobei jedoch 81 Prozent der Personen bereits eine Geschichte von allergischen Reaktionen hatten und sie innerhalb von 15 Minuten nach Verabreichung auftraten, ein Zeitraum, in dem man sich noch unter medizinischer Aufsicht befindet. Einige Mediziner argumentierten außerdem, dass es wirksame und einfache Behandlungsmethoden bei selbst schlimmsten Reaktionen, sogenanntem anaphylaktischem Schock, gibt – eine Tatsache, die bei Covid-19 nicht gegeben ist. Der Stoff Polyethylenglycol, welcher in vielen Arzneiprodukten enthalten ist, wird als Auslöser vermutet. Deshalb wird aktuell davon abgeraten, Menschen mit entsprechender medizinischer Vorgeschichte den Impfstoff zu verabreichen. Schwere, längerfristige Reaktionen zeigen sich meist im Zeitraum von zwei Monaten und traten bisher nicht auf. Um zum Beispiel festzustellen ob Schlaganfälle und Herzinfarkte bei geimpften Personen mit dem Impfstoff zusammenhängen werden die Fallzahlen mit den ansonsten üblichen verglichen, um falschen Schlussfolgerungen vorzubeugen.
Ein weiteres Problem der neuen mRNA-Impfstoffe ist ihre Lagerung: Tozinameran muss bei -70° C gelagert werden, und kann in entsprechender Kühlung bis zu sechs Monate aufbewahrt werden. In von Pfizer zur Verfügung gestellten Trockeneis-Boxen kann der Stoff außerdem für 30 Tage aufbewahrt werden, wenn alle fünf Tage das Trockeneis nachgefüllt wird. Außerdem kann er für weitere fünf Tage in gewöhnlicher Kühlung bei 2° bis 8° C aufbewahrt werden, danach jedoch nicht erneut eingefroren werden. Bei dem Moderna-Impfstoff genügen -20°C für sechs-monatige Haltbarkeit, und ein gewöhnlicher Kühlschrank für 30 Tage. Für den AstraZeneca-Impfstoff genügen auch bei langfristiger Lagerung 2° bis 8° C. Unterschiede gibt es jedoch auch bei der Wirksamkeit, denn die beiden mRNA-Impfstoffe erreichen bei korrekter Verabreichung eine Erfolgsquote von rund 95 Prozent, während der AstraZeneca Impfstoff zuerst nur auf 62 Prozent kam, mit neuer Methode jedoch auf ungefähr 90 Prozent. Eine Influenza-Impfung beispielsweise hat jedoch bei älteren Menschen auch nur eine durchschnittlich 50-prozentige Schutzwirkung. Ob die Impfstoffe jedoch auch völligen Schutz vor der Ansteckung anderer geben, und wie lange die Immunität anhält, kann bisher nicht mit Sicherheit gesagt werden, und wird sich im Laufe der Zeit zeigen.
:Jan-Krischan Spohr
0 comments