Whistleblowing. RUB-Studis haben eine Veranstaltung organisiert, die sich mit Rechten von und Gefahren für Whistleblower:innen in der EU beschäftigt.
Am 12. November fand eine Online-Podiumsdiskussion der Study Group „Law and Global Challenges“ der RUB unter dem Titel „Die Furcht vor dem „Leak“ — Whistleblowing als Herausforderung“ statt. Diese wurde von Studierenden der Ruhr-Universität organisiert, ausgerichtet und moderiert. Geladen waren Annegret Falter, Vorsitzende des Berliner Whistleblower-Netzwerks e.V., der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Prof. Dr. Frank Überall, und David Schraven vom gemeinnützigen Recherche-Netzwerk Correctiv, mit Sitz in Essen.
Im Zentrum stand das Problem, dass zwar Journalist:innen in der EU formal in ihrer Arbeit durch Rechte der Presse- und Meinungsfreiheit geschützt sind, dies aber nicht für Whistleblower:innen gilt, auf die investigativer Journalismus ja so häufig angewiesen ist und die bereits oft zur Enthüllung großer Skandale beigetragen haben. Als bekannteste Beispiele können die sogenannten Pentagon-Papiere über die aggressive Kriegspolitik der USA in Vietnam gelten, die der Regierungsmitarbeiter Daniel Ellsberg 1971 der New York Times und der Washington Post zuspielte; die Leaks von 2016 zu den als Panama und Paradise Papers bekannt gewordenen Skandalen um Steueroasen für Großkonzerne und Superreiche oder die Affären um Edward Snowden, Chelsea Manning und Julian Assange. Während der CIA-Mitarbeiter Snowden, der dem Guardian und der Washington Post gesteckt hatte, dass der US-Geheimdienst NSA weltweit Onlineüberwachung und -spionage betreibe, rechtzeitig ins russische Exil ging, landete die Ex-Soldatin Manning, die US-amerikanische Kriegsverbrechen im Irak an die Öffentlichkeit gebracht hatte, für insgesamt mehr als sieben Jahre in Haft, wo sie zudem gefoltert wurde. Und auch der Wikileaks-Gründer Assange lebte aufgrund fingierter Anklagen fast ebenso lange im faktischen Hausarrest in der ecuadorianischen Botschaft in London, bis der mittlerweile schwer erkrankte Journalist 2019 an Großbritannien ausgeliefert wurde und seither im Gefängnis darauf wartet, ob er in die USA überstellt wird, wo ihn eine mögliche Haft von bis zu 175 Jahren erwartet.
Aufhänger der besagten Veranstaltung war die Frage zu einer neuen Richtlinie der EU, die :innen in Zukunft erstmals schützen soll: Für Laien dürfte die Tatsache, dass etwa das deutsche Arbeitsrecht der Unternehmer:innenseite einen Schutz vor Whistleblowing durch die eigenen Mitarbeiter:innen gewährt, gleichsam interessant wie erschreckend sein: Die sogenannten Arbeitnehmer:innen müssen Missstände und Verstöße zunächst intern nach oben melden, selbst wenn offensichtlich ist, dass die sogenannten Arbeitgeber:innen diese tolerieren oder sogar bewusst betreiben. Dieses in Recht gegossene Machtverhältnis läuft perfider Weise unter dem Etikett der „Loyalitätspflicht“ der Lohnabhängigen gegenüber der Chefetage. Die Richtlinie, die das EU-Parlament – „gegen den massiven Widerstand Deutschlands“, wie Annegret Falter betont – im Oktober verabschiedete, schützt Whistleblower:innen nun endlich, allerdings nur in einigen Fällen. So können jetzt Mitarbeiter:in etwa Geldwäsche melden, ohne selbst belangt zu werden, Menschenhandel etwa dagegen nicht.
Einig waren sich die Referent:innen darin, dass die Richtlinie ein erster Schritt in die richtige Richtung sei, wenngleich betont wurde, dass alles von der konkreten Umsetzung durch die EU-Mitgliedsstaaten abhänge. Speziell im Fall der BRD zeigte sich Frank Überall überzeugt, sei Druck von unten notwendig, um die Politik dazu zu zwingen, entsprechende Schutzgesetze zu erlassen, gerade im privatwirtschaftlichen Bereich. Alles andere als kontrovers — Meinungsverschiedenheiten hatten die Referent:innen nur im Detail —, gab die Veranstaltung spannende Einblicke in die investigativ-journalistische Arbeit und in die derzeitige Rechtslage. Sie kann weiterhin bei YouTube angeschaut werden: shorturl.at/eAPSV.
:Leon Wystrychowski
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