Bild: Mal wieder pleite? Das Sparschwein muss dran glauben. , So kompliziert ist das ja gar nicht! Bild:hakl

Review. Der Dokumentarfilm Oeconomia von Carmen Losmann stellt vermeintlich naive Fragen über die wirtschaftlichen Prozesse, denen wir alle unterworfen sind. 

Eine linke Auseinandersetzung mit denFunktionsweisen der Wirtschaft ist seit jeher unpopulär. Das beruht vor allem auf dem Narrativ, dass man erst ein BWL-Studium oder unzählige Praktika durchschreiten müsse, um in den exklusiven Club der Eingeweihten des Kapitalismus eintreten zu dürfen. Der Verweis auf die Komplexität hat sich als Schutzschild vor kritischen Stimmen oder gar Alternativen zum derzeitigen System bewährt. Carmen Losmann wagt mit ihrer neuesten Dokumentation einen Blick hinter die pseudo-transparenten Glasfassaden der großen Wolkenkratzer, in denen das Geld kontrolliert wird. 

Die Regisseurin selbst ist nicht zu sehen und doch die Protagonistin des Films. Das Publikum begleitet sie bei ihrer Recherche, einerseits bei der Erstellung einer Präsentation auf ihrem PC, andererseits bei den Interviews mit den stets jovialen Akteuren (ausnahmslos Männer) des Kapitals. Die Vielzahl an Absagebriefen werden von einer kalten Computerstimme vorgelesen, die Meetings, denen sie beiwohnen darf, werden allesamt nur nachgestellt; was von den Anzugträgern an langen Tischen in ihren Glaskästen besprochen wird, darf nicht gehört werden. Eine nicht enden wollende glatte Oberfläche wird zur Schau gestellt, die durch eine makellose Ästhetik, die selbstbewusst „Zukunft“ schreit, von ihren neoliberalen Inhalten ablenken soll. Doch Losmann stellt unbeeindruckt ihre drei Grundfragen: Wie kommt Geld in die Welt? Wie entsteht das Geld für die Gewinne? Wer nimmt die Schulden auf? 

Diese einfachen Fragen stellt sie in Variation immer wieder den Chefvolkswirten, Vermögensverwaltern und Finanzvorständen großer Firmen, für die, wie man annimmt, dazu passende Antworten leicht zu finden sein sollten. Das Ergebnis ist jedoch eine erstaunliche Unwissenheit, die häufig von einem verunsicherten Lachen in Losmanns unerbittlich konfrontierende Kamera begleitet wird. Der Film kennt die Antworten auf seine Fragen längst, doch er weigert sich, sie dem Publikum einfach vor die Füße zu legen. Es fehlt schließlich nicht an Theorien, die das derzeitige Wirtschaftssystem widerlegen können, sondern nur an Bewusstsein und breitem Interesse für ebendiese. Deshalb lässt Losmann durch ihre geschickten Fragestellungen und die unbeholfenen Verteidigungsversuche der Antwortgeber die Zuschauenden selbst die Antworten finden, die der so oft postulierten Alternativlosigkeit des Kapitalismus entgegentreten. 

Das Fazit, das in der über die Spielzeit des Films entstehenden Präsentation aufgestellt wird, überrascht nicht und ist dennoch schockierend: Geld entsteht nur dann, wenn Menschen wirtschaftlich aktiv werden; diese erhalten wiederum nur Kredite, wenn eine Aussicht auf Gewinne besteht, die die Schulden begleichen können. Dadurch entsteht ein Zwang zum Wachstum, damit immer neue Kredite vergeben werden können, da ansonsten der Geldfluss abebben würde. Die Profiteure des Wirtschaftswachstums sind wenig überraschend die ohnehin schon höheren Einkommensschichten, was für eine noch stärkere Ungleichheit sorgt. Während Ökonom:innen über die Entstehung von Mehrwert mit Schlachtbegriffen wie „Innovationen“ um sich werfen, antwortet Losmann selbst mit einem Schnitt auf Schichtarbeiter:innen, die vor einer Werkfabrik stehen. Wir sollen nicht mehr mit großen Augen unsere Blicke staunend auf die Verwalter des Kapitals richten, sondern auf Augenhöhe nach gerechteren Alternativen suchen. Vorschläge dazu von Losmann selbst finden sichunter oeconomia-film.de.    

  :Henry Klur

 

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