Kommentar. Blogs, Hashtags, Videos. Social Media ist nicht nur „Fun und Junk“, sondern vermehrt ein Sprachrohr für Missstände. Allein in diesem Jahr wurden Hashtags auf die Straße gebracht und zu aktiven Protestbewegungen für mehr Gerechtigkeit.
“All advocates are activist but not all activists are advocates.” Das waren die Worte von Segun Awosanya, dem Initiator der ENDSARS-Bewegung. Im Sommer letzten Jahres sprach er bei seinem TEDxTalk „ENDSARS: The Story Of US“ über die Diskrepanz zwischen der Einheit und der Bevölkerung Nigerias. Bis heute hat dieses Video auf YouTube nicht mal 600 Aufrufe. Die Special Anti-Robbery Squads der nigerianischen Polizei, die es laut Präsident Muhammadu Buhari nicht gibt, respektive gab, griffen unschuldige Menschen an, erpressten oder ermordeten sie. Vor allem junge Bürger:innen, „Yahoo boys“, Männer, die Ihr Geld in der IT-Szene verdienen und Menschen aus der LGBTQ+-Community zählten zu den Opfern der illegalen Taten der SARS.
Doch zu #EndSARS und den darauffolgenden Massenprotesten kam es erst, als sich ein Video eines Beamten auf Twitter verbreitete, in dem er einen jungen Mann kaltblütig ermordet hatte. Aus dem Hotel gezehrt, auf die Straße geworfen und Schuss. Kaltblütig!
Auch wenn der Präsident Buhari, der zwischenzeitlich aus SARS eine SWAT (Special Weapons and Tactics) – Einheit gemacht hatte, verschob sich das Problem nur auf einen anderen Namen, es wurde sogar schlimmer. Die Proteste gegen ihn und die Gruppe wurden lauter. Am 20. Oktober eskalierte das Ganze und die Nigerian Armed Forces schoss auf unbewaffnete Demonstrant:innen. Das „Lekki Massaker“, welches in der größten Stadt des Landes stattfand, kann sich schon jetzt in die Geschichtsbücher einreihen. Nicht nur in Nigeria gibt es aktuell Proteste, in Namibia fordern junge Menschen ein sofortiges Handeln gegen geschlechtsspezifische Gewalt. #shutitalldown Auch in Südafrika wird gegen geschlechtsspezifische Gewalt angekämpft. Schätzungen gehen davon aus, dass mindestens 40 Prozent der Frauen in Südafrika einmal im Leben vergewaltigt werden. #aminext Vergewaltigungen haben seit Covid-19 auch Liberia um die 50 Prozent zugenommen. Über 1.000 Fälle wurden gegen Kinder und Frauen in den vergangenen 10 Monaten verzeichnet. #rapenationalemergency In Kamerun steigt die Gewalt im anglophonen Teil des Landes rapide an und die Zivilist:innen werden dem Konflikt zwischen Rebellengruppen und der Regierung zum Opfer. #anglophonecrisis In der Demokratischen Republik Kongo, ein Land das reich an Bodenschätzen ist, befinden sich über 50.000 Menschen auf der Flucht, da bewaffnete Gruppen Menschen, insbesondere Kinder ohne Eltern, brutal angreifen. #Congoisbleeding Der Anstieg von Kindesentführung aus Burkina Faso und Mali für die Kakaoernte ist in den Nachbarländern der Elfenbeinküste und Ghanas zu verzeichnen. #childtrafficking
Warum ist Social Media für viele Menschen also mehr als nur ein Ankerpunkt? Sie können die Medien mitbestimmen. Im Positiven wie im Negativen. Mehr noch, sie können wiederspiegeln wie hoch die Nachfrage nach solchen Themen ist. Denn oft steigt die Nachfrage an, warum einige Themen es nicht in die „Mainstream-Nachrichten“ schaffen und wenn doch meist verzerrt zu sehen sind. #JesuisNotreDame Social Media kann vor allem Probleme von Menschen aus marginalisierten Gruppen sichtbar machen. Vielleicht sollte der Journalismus auch umdenken und von den Fastnews wieder zur fundierten Recherche zurückkehren. So könnten dann auch die Empathie des Individuums steigen, wenn sie sehen und wissen, dass viele Missstände im globalen Süden auf die grundlegende Machtverteilung und Struktur der Ausbeutung zurückzuführen sind sowie die daraus resultierenden Fluchtbewegungen, der vermeintlichen „Wirtschaftsflüchtlinge“.
Dieser Text könnte auch über #Armenien, #Syrien, #Polen, #Pennsylvania, #Uiguren, #Moria und viele anderen Themen sein, die erst durch Social Media ins Rollen gekommen sind.
:Abena Appiah
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