Während der DFB und Manuel Neuer sich bei seinem Skandal um rechte Liedtexte verdächtig ruhig verhalten, hatten sie zu Mesut Özil einst viel zu sagen.
Bisher scheint die Tatsache, dass Manuel Neuer im Urlaub in Kroatien problematische und nationalistische Liedtexte mitsingt, weder ihn noch den DFB zu einer Äußerung zu zwingen. Dass gerade der Kapitän und eines der Aushängeschilder der Nationalmannschaft, der oft als Vorbild stilisiert wird, negativ auffällt und kaum eine Reaktion von Seiten der Verantwortlichen beim DFB auslöst, hat einen besonderen Beigeschmack, wenn die Debatte um Mesut Özils Foto mit dem türkischenPräsidenten und seinem anschließenden Rücktritt, der mit Rassismusvorwürfen in Richtung DFB gepaart war, im Hinterkopf behält.
Neuer zeigte damals zwar Verständnis für Özils Entscheidung, hatte aber eine andere Sicht auf die Vorwürfe seines Mitspielers. „Es ist die Entscheidung jedes einzelnen Spielers. Die Gründe muss man für sich selbst suchen, und die hat er dann auch gefunden“, sagte Neuer damals. Dennoch konnte er sich nicht an Rassismus im Team erinnern. Generell ging es damals mehr um das Ausscheiden und die Zukunft des Teams als um Özil. So sollte der DFB die Mannschaft „strukturieren um ihr wieder ein Gesicht zu verpassen“. Außerdem ging es ihm darum „wieder die Spieler da zu haben, die auch wirklich stolz sind, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen und alles dafür geben, für das eigene Land zu spielen, damit man wieder in die Erfolgsspur kommt“. Solche, im Kontext von Rassismusvorwürfen getätigte, problematische Aussagen, scheinen heute ganz vergessen und könnten auch als versteckter Seitenhieb zu Özil aufgefasst werden.
Der DFB hatte die Kritik Özils damals entschieden zurückgewiesen. Präsident Grindel gestand zwar ein, dass der Verband sich nicht rechtzeitig hinter Özil gestellt hatte, um sich bei rassistischen Äußerungen von Fans und Medien mit ihm zu solidarisieren, doch auch er bekräftigte, beim DFB habe es keinen Rassismus gegeben.
Dass beide Parteien in der derzeitigen Debatte schweigen und sich nicht zu Neuers Verfehlungen äußern, könnte die Thematik des Rassismus beim DFB nochmal hervorholen. Denn aktuell zeigt sich ein wenig dieses Bild von Seiten des Fußballverbands: Manuel Neuer, der „Biodeutsche“ und Vorbild, dem ein kleiner Ausrutscher passiert ist, der nicht kommentiert werden muss und Mesut Özil, türkische Wurzeln, der sich als Problemspieler herausstellte und sich Kritik von Mitspielern und Verantwortlichen einfing.
:Philipp Kubu
Was hat der Manuel denn da überhaupt gesungen?
Manuel Neuer hat ein Lied der kroatischen Band Thompson mitgesungen. Doch wer sind Thompson und was macht sie soproblematisch?
Seit 1991 gibt es die Band Thompson, die ihren Namen vom Spitznamen ihres Frontmanns Marko Perković hat. Dieser Name spielt auf die amerikanische Thompson-Maschinenpistole an, welche Perković im Kroatienkrieg als Teil der Kroatischen Nationalgarde trug. Die Musik der Band ist eine Mischung aus Hard Rock/Stadion Rock und simpler, eingängiger Folk-Musik. Die Texte sind oft christlich geprägt und handeln von historischen Themen, alles mindestens so melancholisch und romantisiert wie unmissverständlich nationalistisch verpackt. Dabei wird um die eigentliche Sache auch kaum herumgeredet. Das faschistische, kroatische Ustascha-Regime, welches von den Achsenmächten an die Macht gebracht wurde, wird am Anfang des 1991er Liedes „Bojna Čavoglave“ (Battalion Čavoglave) mit dem zum Gruß und Wahlspruch der Ustascha abgewandelten Schlachtruf „Za dom spremni!“ – Für die Heimat, bereit! – glorifiziert. Für Viele ist das nicht vorstellbar, denn das wäre so als würde eine Band, die ihre Lieder mit „Sieg Heil!“ eröffnet, in Deutschland große Hallen füllen. Denn genau das schaffen Thompson, vor allem in Kroatien: Sie füllen Arenen. Dabei sind immer wieder Menschen in Kleidung, die Ustascha-Symbolik und andere faschistisch geprägte Ikonografie zeigt. Berichtet wird auch von Fans, die auf Konzerten den Hitlergruß zeigen. Perković selber bezeichnet sich – welch großes Wunder – als Patrioten, und keinesfalls als Faschisten. Dass er niemanden dazu animiere oder darin unterstütze die Ustascha zu verherrlichen, wirkt jedoch etwas hohl, wenn er den von ihr popularisierten faschistischen Gruß in seinen Liedern verwendet. Bilder von ihm aus den 90ern, wie er zusätzlich dazu die Hand zum „römischen Gruß“ erhebt, sprechen nicht für ihn. Das Lied, welches Manuel Neuer nun mitsang, war „Lijepa li si“ – Wie schön du doch bist – welches zuerst harmlos wirken mag. „Schön“ findet er natürlich Kroatien. Dass er bei der Aufzählung der ganzen pittoresken Orte Kroatiens auch einen erwähnt, der zeitweise von kroatischen Truppen besetzt war, aber im heutigen Bosnien-Herzegowina liegt, ist da ganz sicher nur Zufall …
:Jan-Krischan Spohr
Das Özildrama: Zweierlei Maß oder auch mit sechs Schüssen ins Aus
Am 13. Mai 2018 gab es ein Treffen zwischen dem türkischen Staatspräsidenten und drei Spielern in London. Mesut Özil, ein Junge aus derselben Stadt wie Manuel Neuer, war unter ihnen, überreichte ihm sein Trikot und posierte für ein Foto.
Am 19. Mai findet ein Gespräch zwischen Frank-Walter Steinmeier Mesut Özil und Ilkay Gündogan statt, in dem sich die beiden Fußballspieler zu Deutschland bekennen, jedoch schweigt Mesut Özil zu einer Distanzierung zu Recep Tayyip Erdogan.
Der DFB schloss sich der Kritik an, welches dazu führte, dass die Kritik an Özil nicht kleiner wurde und sein Deutschsein durch die Medien und Social Media in Frage gestellt wurde.
Bei der WM in Russland schied die deutsche Nationalmannschaft in der Gruppenphase aus und Mesut Özil galt als Wirt des Scheiterns.
Sowohl vor der Presse als auch intern sprach Oliver Bierhoff im Weltinterview wie folgt über die Situation: „Wir haben Spieler bei der deutschen Nationalmannschaft bislang noch nie zu etwas gezwungen, sondern immer versucht, sie für eine Sache zu überzeugen. Das ist uns bei Mesut nicht gelungen. Und insofern hätte man überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet.“:Abena Appiah
Das Özildrama
Mit zweierlei Maßen –
Mit sechs Schüssen
ins Aus
0 comments