Kommentar. Bei den Präsidentschaftswahlen in Polen gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Sieger ist der amtierende Präsident Andrzej Duda, der mit LGBTQ-feindlichen Äußerungen Stimmung machte.
Eigentlich sollte die Abstimmung für das Amt des polnischen Präsidenten bereits im Mai diesen Jahres stattfinden. Doch wie überall auf der Welt geriet auch im Nachbarland Deutschlands das öffentliche Leben durch die Corona-Pandemie ins Stocken. Die von der Regierungspartei PiS forcierte Briefwahl wurde schließlich wegen verfassungsrechtlicher Bedenken fallengelassen und die Wahl in den Juli verschoben. Für den Amtsinhaber Andrzej Duda waren dies schwierige Monate: Seine Beliebtheitswerte sanken rapide, was unter anderem der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Rezession zugeschoben wird. Die Wahlbeteiligung fiel schließlich mit knapp 68 Prozent sehr hoch aus, was ein weiteres Indiz für den Unmut der Bevölkerung in der derzeitigen Situation darstellt. Dennoch konnte der konservative Politiker sich denkbar knapp gegen seinen liberalen Konkurrenten Rafal Trzaskowski durchsetzen. Mit etwas mehr als 51 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde Duda in seinem Amt bestätigt. Damit stehen der Opposition und marginalisierten Gruppen wie der LGBTQ-Community unsichere Zeiten bevor. Für die konservative, regierende PiS war dieser Sieg von großer Bedeutung und er dürfte ihre Vormachtstellung bis zur nächsten Parlamentswahl 2023 sichern, denn der Präsident kann Gesetzesentwürfe mit seinem Veto verhindern.
Im Wahlkampf setzte Duda vor allem auf die Verteidigung konservativer Werte und Politik. Dabei attackierte er vor allem eine fiktive LGBTQ-Ideologie, die den Polen aufgezwungen werden soll und bezeichnete sie sogar als „Neobolschewismus“, der Kinder und Familien bedrohe. Damit griff er die aktuell in Polen unter Konservativen sehr präsente LGBTQ-feindliche Stimmung auf, um ihre Politik durchzusetzen. Äußerungen anderer Politiker:innen der PiS rund um die Wahl müssen zu denken geben, ob es für Personen der LGBTQ-Community noch sicher im Land ist und wie lange die demokratische Gewaltenteilung herrschen wird. So sagte Justizminister Ziobro, dass die Medien sich vorgenommen werden. So könnten ältere Pläne herausgeholt werden, die bei regierungskritischen Medien eine „Polonisierung“ erzwingen sollen: Eigentümerwechsel, um sie so auf Linie mit der Regierung zu bringen. Zudem stehen die martialischen Äußerungen im Raum, die „territorialen Großfürstentümer der Liberalen“ zu schleifen. Gemeint sind die liberal regierten Städte, die nun davon bedroht werden, stärker unter den Einfluss der Zentralregierung zu fallen.
Solche Worte fallen bei der Bevölkerung natürlich nicht auf taube Ohren. Ähnlich wie in Deutschland durch Äußerungen der AfD können solche Aussagen auch in Polen zu Attacken und Anschlägen auf Oppositionelle und Linke sowie Minderheiten wie die LGBTQ-Community führen. In Teilen Polens sind schon jetzt sogenannte LGBTQ-ideologiefreie Zonen ausgerufen worden. Die Gefahr für Leib und Leben von Menschen, die nicht der Meinung der Regierung folgen oder ihrem Weltbild entsprechen, wird immer größer. Attacken von rechten Gruppen wie die auf die Pride-Demonstrationen im letzten Jahr werden so legitimiert, wenn nicht sogar von der PiS toleriert.
Jetzt, wo die Migration in Polen deutlich zurückgegangen ist und sich Migrant:innen nicht mehr als Sündenbock eignen, um von realen Problemen abzulenken und Wahlen zu gewinnen, hat sich die PiS das nächstbeste Feindbild im erzkatholischen Land ausgesucht. Ein typisches Vorgehen von rechten Parteien, die gesellschaftliche Probleme, für die sie selbst auch verantwortlich sind, auf Minderheiten abzuwälzen und diese ihren gewaltbereiten Anhänger:innen zum Fraß vorwerfen. Eine traurige und durchschaubare Taktik, die der PiS leider immer noch die Hälfte der Polen abkauft.
:Philipp Kubu
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