Bild: Proteste gegen Erdoğan: Der türkische Präsident führt seit 2015 mit Unterstützung von Russland, Syrien und mithilfe von deutschem Kriegsgerät einen Angriffskrieg in den kurdisch-autonomen Gebieten. , Neue Offensiven Bild:stem

Krieg. Erneut startet die türkische Armee Angriffe auf autonome kurdische Gebiete, nun im Norden des Iraks. 

Der Angriffskrieg der Türkei in den kurdischen Gebieten schreitet weiter voran. Zuletzt startete das türkische Militär mit den Operationen „Eagle Claw“ und „Tiger Claw“ Offensiven in den Regionen Kandil, Haftanin und Sindscharf. Die bergigen Gebiete dienen den kurdischen Guerillakämpfer:innen der PKK als Rückzugsgebiete und Hauptquartier, die aufgrund ihrer geographischen Lage schwer einzunehmen sind. Damit sind sie von zentraler Bedeutung für die kurdischen Unabhängigkeitskämpfe. Nun versucht die Türkei die Regionen mittels Land- und Lufttruppen einzunehmen, nachdem sie zuvor regelmäßig mit Drohnen- und Luftangriffen attackierte. Die Offensiven seien laut dem türkischen Verteidigungsministerium gestartet worden, nachdem Kräfte der kurdischen Arbeiter:innenpartei PKK im vergangenen März türkische Stellungen beschossen haben. Dabei seien zwei türkische Soldaten umgekommen. Die PKK wird von der Türkei, EU und USA als Terrororganisation eingestuft. Die Türkei erhielt zudem Unterstützung durch den Iran, der Gebiete in Quandil bombardierte. Bis Ende der Woche seien laut der PKK sechs kurdische und laut der Türkei zwei türkische Soldat:innen umgekommen. Außerdem berichtet die kurdische Regionalregierung fünf zivilistische Tode.
Die Attacken stehen unter scharfer Kritik, denn sie finden ohne die Genehmigung der irakischen Regierung statt, die sich in ihrer Souveränität verletzt sieht. In Antwort auf die Angriffe berief der Irak den türkischen Botschafter ein. Kurdische Medien sowie Journalist:innen und Aktivist:innen berichten außerdem von Luftschlägen auf Krankenhäuser und Geflüchtetencamps, wie zum Beispiel das Camp Makhmour, in dem sich unter anderem jesidische Vertriebe befinden, die vor IS-Terrorgruppen flüchteten. Der Einmarsch in die nordirakischen Gebiete und die Bombardierung von zivilen Einrichtungen stehen im Widerspruch zu gängigem Völkerrecht.

Der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK reicht bis in die 80er Jahre zurück. Nachdem 2015 ein Waffenstillstand beidseitig aufgelöst wurde, startete die Türkei einen Angriffskrieg in die autonomen kurdischen Gebiete im nordsyrischen Rojava. Mittlerweile hat sie dort eine sogenannte „Sicherheitszone“ eingerichtet. Die Türkei gibt an, den Krieg als Präventivschlag gegen Terror zu führen. Diese Begründung wird von Beobachter:innen allerdings angezweifelt. So befand ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, dass die Offensiven auf Rojava seit Ende vergangenen Jahres völkerrechtswidrig sind. Auch die Angriffe auf das nordsyrische Gebiet Afrin im Jahr 2018 konnten nicht völkerrechtlich begründet werden. Ein Selbstverteidigungsrecht sei damals „selbst bei großzügiger Auslegung“ nicht zu erkennen, so das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages. Diese Begutachtung steht im Kontrast zur Kommunikation der Bundesregierung, die bisher vermieden hat, von völkerrechtlichen Vergehen zu sprechen und stattdessen Begriffe wie „Militäroperationen“, die „neues menschliches Leid“ hervorbringen, gesprochen. Auch bei den neuen Angriffen in den kurdisch-irakischen Gebieten beruft sich die Türkei auf ihr Selbstverteidigungsrecht, doch ähnlich wie bei den bisherigen Angriffen ist diese Begründung auch hier stark zu bezweifeln. 
Auch Amnesty International verfasste einen Bericht, der der Türkei Kriegsverbrechen vorwarf. So habe die türkische Armee Angriffe in Wohngebieten geführt, unter anderem auf ein Wohnhaus, eine Bäckerei und eine Schule.

 

März 1970:  Teilautonomie für die Autonome Region Kurdistan im Nordirak, 1991 und in den 2000ern Ausbau der Autonomierechte

 

1990: Erster großer Volksaufstand (Serhildan) in vielen südöstlichen Gebieten der Türkei

 

2013 bis 2015 :Waffenstillstand und Friedensverhandlungen

 

Juni 2015: Beginn der erneuten türkischen Offensive gegen die PKK, nachdem zwei türkische Polizisten erschossen wurden

 

Januar bis März 2018: „Operation Olivenzweig“ – Türkische Offensive auf die nordsyrische Stadt Afrin

 

 

Oktober 2019: Einmarsch des türkischen Militärs in die nordsyrischen Provinzen

 

:Stefan Moll

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