Kommentar. Wegen der Corona-Pandemie fallen Großveranstaltungen ins Wasser. Doch für bezahlte Tickets gibt es nicht immer sofort Geld zurück.
Wenn eine Veranstaltung ausfällt, läuft es eigentlich so: Du hast ein Ticket gekauft? Dann werden Dir die Kosten erstattet. Zumindest war ein solches Recht auf Erstattung der Kosten gesetzlich verankert. Durch eine Gesetzesänderung, die ab dem 20. Mai in Kraft trat, ist dieses Recht jedoch ausgesetzt. Für Karten zu Veranstaltungen, die vor dem 8. März gekauft wurden und ausfallen oder verlegt werden, können nicht mehr so leicht die Kosten zurückgefordert werden. Sollte der:die Veranstalter:in bisher noch keine Kosten erstattet haben, kann er:sie nun ohne Zustimmung der Ticketkäufer:innen einen Gutschein ausstellen, anstatt die Kosten zurückzuzahlen. Natürlich steckt hier hinter der Gedanke, Veranstalter:innen in Not vor der Insolvenz zu bewahren und ihre Existenz zu sichern. Die Gutscheine können bis Ende 2021 benutzt werden, danach sind die Veranstalter verpflichtet, das Geld auszuzahlen. Sich Gutscheine ausstellen lassen, um von der Corona-Krise getroffene Künstler:innen und Anbieter:innen finanziell zu unterstützen, ist natürlich eine gute Idee, die jedoch allein den Ticketkäufer:innen überlassen werden sollte.
Was bei dieser Regelung ein wenig unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass nicht nur Betreiber und Veranstalter unter der Corona-Krise finanziell zu leiden haben, sondern auch die Käufer:innen der Tickets. Diese benötigen aktuell ebenfalls ihr Geld und sollten frei entscheiden können, für was sie es ausgeben. Denn sollten Veranstaltungen nicht nachgeholt werden, sondern ausfallen und die Käufer:innen keine neuen Veranstaltungen des Betreibers besuchen wollen, erhalten sie ihr Geld erst in eineinhalb Jahren. Um Menschen, die wirklich auf eine Rückzahlung des Ticketpreises angewiesen sind, dennoch eine Möglichkeit dafür zu lassen, können sie einen so genannten Härtefallantrag stellen. Dabei muss dem Veranstalter zum Beispiel bewiesen werden, dass ohne Auszahlung des Gutscheinwerts aktuell existentiell wichtige Lebenshaltungskosten wie Miete oder Energierechnungen nicht zu begleichen sind. Ticketkäufer:innen müssen, also sich bloßstellen, um an ihr eigenes Geld heranzukommen.
Nicht zu vergessen in diesem Kontext ist auch, dass ein Insolvenzrisiko, welches in der aktuellen Lage trotz der Gutscheinlösung nicht für alle Veranstalter aus der Welt geschafften worden ist, komplett von den Ticketkäufer:innen getragen wird. Sollte ein:e Veranstalter:in vor dem Auszahlungstermin Anfang 2022 Pleite gehen, bleiben Käufer:innen auf ihren Kosten sitzen.
In dem Rahmen dieses neuen Gesetzes hat sich besonders dreist und peinlich mein Herzensverein, der FC Schalke 04, hervorgetan. Wo in der Selbstvermarktung der „Kumpel- und Malocherklub“ beschworen und im Vereinsbild die soziale Verantwortung des großen Vereins für Stadt und Mitglieder hochgehalten wird, war die Ankündigung, die Ticketrückzahlungen für die Corona-Geisterspiele in Form von Gutscheinen nach dem neuen Gesetz durchzuführen, ein Schlag ins Gesicht für alle Fans. Viele Stadiongänger:innen haben nicht viel Geld und unterstützen den Klub trotzdem mit dem Kauf von Stadionkarten. Gelsenkirchen ist eine Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit. Diesen Menschen solch eine empathielose Lösung anzubieten, ist diesem einst großartigen Verein absolut unwürdig und erbärmlich. Ja, auch dem Verein geht es schlecht, doch einen freiwilligen Verzicht auf eine Rückzahlung vorzuschlagen wäre deutlich angemessener gewesen und hätte gezeigt, dass der Klub noch für etwas steht und nicht zu einem reinen Unternehmen verkommen ist.
:Philipp Kubu
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