Rezension. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder meldet sich mit seinem Podcast „Die Agenda“ zurück auf der politischen Bühne. Viel Neues hat er aber nicht zu sagen.
Wenn ein ehemaliger Spitzenpolitiker aus dem Nähkästchen plaudert, kann das schon mal ganz spannend sein. Vielleicht gibt es pikante Details aus seiner Amtszeit, Kritik an den eigenen Entscheidungen oder inhaltsvolle Kommentare zum aktuellen Weltgeschehen. Auf all dies muss man beim neuen Podcast des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder vergeblich warten. Schon der Titel „Die Agenda“ lässt auf wenig Selbstreflexion schließen, denn in der heutigen SPD wird die von Schröder angeschobene Agenda2010 als ein Fehler angesehen, unter dem die Partei immer noch zu leiden hat.
Nach einem etwas generischen Intro begrüßt die Zuhörer:innen Béla Anda, ehemaliger Regierungssprecher Schröders und Vize der Bild Zeitung, der heute eine PR-Agentur betreibt. Eben jene PR-Agentur, die den Podcast produziert.
Und so hört sich das Ganze auch an. Bei „Wasser“ und „Kaffee“ plaudern Anda und Schröder in dessen Kanzlei in Hannover über die aktuellen Geschehnisse in Deutschland und der Welt, deshalb lag in den ersten beiden Episoden der Fokus auf der Corona-Pandemie und ihren Folgen. Substantielles haben beide jedoch kaum zu laufenden Debatten und Diskussionen beizutragen. Anda gibt den devoten Stichwortgeber, der mit Formulierungen wie „Du hattest immer ein seismographisches Gefühl für die Menschen“ aus dem Schmeicheln nicht herauskommt. Auch zu Ende sprechen lässt ihn Schröder kaum, so dass der Podcast häufig zu einem Monolog verkommt.
Obwohl Schröder viel spricht, bleibt wenig hängen. Schärfe, Reflexion oder auch bissige Kommentare gibt es von ihm nicht, dafür viele Floskeln, halbgare Vergleiche zu seiner Amtszeit und viel Lob für die Politik seiner SPD. Witz und Humor bleiben komplett auf der Strecke, sein Hinweis darauf, dass Golf nur „von den Wohlhabenden gespielt“ werde „was bei mir nicht stimmt“ bleibt der einzig wirklich witzige Moment, wenn in der gleichen Episode noch über Schröders drei Wohnsitze und seine Posten in diversen Aufsichtsräten gesprochen wird.
Neben der SPD bekommt auch die aktuelle Kanzlerin und Nachfolgerin Schröders, Angela Merkel, gute Noten in der Corona-Krise ausgestellt. Sie habe viel richtig gemacht, nur ihr Umgang mit den Ministerpräsident:innen der Bundesländer sei etwas zu rabiat gewesen. Hätte sie sich beim Altkanzler telefonisch gemeldet, so hätte er ihr dies mit auf den Weg gegeben. Doch ob Angela Merkel, die mittlerweile eine deutlich längere Amtszeit als Schröder aufzuweisen hat, seinen Rat nötig hat? Generell scheint er als Kanzler viel richtig gemacht zu haben. Kaum ein schlechtes Wort fällt über seine Amtszeit, und wenn, dann nur über politische Gegner.
Auch zu Trump, von dem er glaube, außer Business verstehe er nicht viel, den aktuellen Verschwörungsdemos und Fridays for Future sowie den sozialen Medien hat er nicht viel neues beizutragen. Platte Sprüche, kaum eine Analyse oder mal tiefergehende Gedanken, die nicht nur an der Oberfläche kratzen. Zudem zieht sich durch den ganzen Podcast und die besprochenen Themen immer ein durchaus pro-russischer Ton. Bei Schröders Hintergrund natürlich kein Wunder, doch hin und wieder wirkt es sehr unpassend.
Letztendlich entsteht der Eindruck, hier wird jemandem ein Gespräch aufgezwungen, der nichts zu sagen hat. Dass dieser Podcast ein reines PR-Produkt ist, merkt man in jeder einzelnen Sekunde. Wen soll „Die Agenda“ ansprechen? Sicher gibt es den ein oder anderen alten Schröder-Fan, der:die sich sicher freut, dem ehemaligen Kanzler zuhören zu können. Doch hat es diesen Podcast auf einem eh schon übersättigten Markt gebraucht? Nicht wirklich.
:Philipp Kubu
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