Liebe. Das Singledasein: Für einige Fluch, für andere Segen. In Zeiten der gezwungenen Einsamkeit und Isolierung gehen die Menschen verschieden mit der Lust nach intensiven Gesprächen oder gar Körpernähe um. Auch unsere Redakteur*innen stehen vor der Frage, was fehlt und ist es überhaupt notwendig, danach zu suchen?
Positives durch die Krise
Langeweile, Zuhause, in Quarantäne. Plötzlich sind die Dating-Apps, die ich zwischendurch mal nutze, aber nicht wirklich ernst nehme, ganz interessant. Ein paar Tage lang wische ich regelmäßig rechts und links. Diesmal gibt’s tatsächlich mal ein Match, bei dem nicht nach ein paar Zeilen Dialog schon wieder Schluss ist. Wir verstehen uns gut, verabreden uns zu ‘nem Spazierdate. Aufgrund des schlechten Wetters bleiben wir zwar mehr im Auto sitzen, doch es funkt zwischen uns.
Nach ein paar weiteren Treffen, bei denen mir zu Fuß die schönsten Ecken Dortmunds gezeigt wurden und ich Gelsenkirchen und Wanne-Eickel präsentieren durfte, steht fest, dass wir uns weiterhin treffen wollen. Etwas anderes als Spazieren gehen beim daten scheint mir plötzlich völlig fremd zu sein.
Ich erfahre sogar, dass sie die App, auf der wir uns gematched haben, nur aus Langeweile in Corona-Zeiten benutzt und nicht wirklich geplant hatte, jemanden kennenzulernen. So hat der Virus zumindest für mich doch was Gutes.
Dates in der Pandemie
Dass Dating sich in der Pandemie verändert hat, ist offensichtlich. Ein Swipe rechts und direkt auf ein Bierchen in der Kneipe – das geht momentan nicht, gerade wenn die Person nicht in unmittelbarer Nähe wohnt. Zumal die Kneipe auch geschlossen ist.
Viel mehr empfinde ich eine andere Art des Flirtens. Falls es doch zu einem Fahrraddate oder Spazierdate kommt, wird vielmehr mit den Augen gearbeitet und auf Gestik geachtet, da unnötige Berührungen erst einmal vermieden werden möchten. Dennoch wirkt es nicht weniger intensiv, als die Dates mit mehr Körperkontakt. Doch das Gegenüber kann es schaffen, dass man sich dennoch gut und geborgen fühlen kann. Auch wenn die Gemütslage aus der aktuellen Situation eher nicht stressresistent macht, ist ein Coronadate eine nette Abwechslung aus dem Alltag.
Nichts Da!
Was für Daten im Moment? Die Suche nach meinem Seelenpartner gestaltete sich bereits vor Corona als relativ schwierig und so soll es auch während Corona bleiben. Es gibt da so eine nicht ganz unwichtige Sache, die im Moment fehlt. Also ich weiß nicht, ob es Euch schon aufgefallen ist, aber ein abwechslungsreiches Sexualleben führe ich zumindest im Moment nicht. Händchen halten und durch den Park laufen funktioniert meiner Meinung nach nur in schlechten RomCom (starring Owen Willson). Ohne wirklichen Körperkontakt haben zu dürfen kann ich eine nette Freundschaft zu Dir aufbauen, aber keine Liebesbeziehung. Auch verstehe ich nicht, warum sich alle so befreit von irgendwelchen Apps fühlen. Tinder hätte man auch schon vor Corona ganz locker löschen können. Naja … Dating ist zumindest im Moment schwierig. Leider muss ich dazu aber gestehen, dass ich mich ein wenig auf Distanz in jemanden verguckt habe. Also ganz abstellen, selbst wenn man will, kann man es dann doch nicht. Verflucht seien die Mittzwanziger!!!! Warum sind wir immer so hart auf der Suche!!!
Verswipte Liebesmüh
Dass OkCupid lange Zeit auf meinem Handy deinstalliert war, war nicht ohne Grund so. Nun, da man offline keine neuen Bekanntschaften machen kann also doch nochmal der Versuch, das virtuelle Schaufensterbummeln, das rasende Produktionsband von Gesichtern und Selbstbeschreibungen für Dates und Bekanntschaften zu bemühen. Dann ist da die Erwartung und die Freude aufgrund der vielen interessanten und toll wirkenden Menschen. Eine gemeinsame Begeisterung, eine geteilte Ansicht, ein sympathisches Foto. Da ist so viel Bewundernswertes! Also schreibe ich eine Nachricht, die etwas aus dem Profil aufgreift – etwas, das mir Überwindung kostet. Als männliche Person, der es ohnehin nicht leichtfällt, erste Schritte zu machen, fällt mir die noch beständige Existenz von automatischen Genderrollen-Zuweisungen auf. Die ist offline da, aber online eben auch. „Kann keine Likes sehen, also schreibt mir einfach“ steht überall und weist auf den erwarteten ersten Schritt hin. Oder bleiben nur bei mir die Erstnachrichten aus? Also wieder die altbekannten Muster des Selbstzweifels. Liegt es an den Fotos? Ist meine Beschreibung nicht interessant? Zu weich, zu starr? Der Grund für die Löschung der App wird wieder allzu klar und schmerzlich. Doch zumindest für den Moment spinnt sich die Hoffnungsspirale weiter. Vielleicht doch beim nächsten Profil.
Vielleicht ein Match, vielleicht antwortet jemand.
Love in times of Corona
Wie datet man in Zeiten von Social Distancing? Gar nicht. Okay, also schon, aber nicht so richtig. Zumindest ich. Für mich fing der Lockdown schon am 13. März. an – seit diesem Tag isoliere ich mich bestmöglich – und mein letztes Date war eine Woche davor, vielleicht ein paar Tage mehr, zu meinem Zeitgefühl halte ich aktuell auch Distanz. Seitdem? Mit der Person schreibe ich noch, mehr als ein Treffen – „wenn wir das Alles hinter uns haben, auf jeden Fall!“ – zu planen ist aber nicht drin. Dates kann ich für mich selber nicht als essentiell rechtfertigen. Und sonst? Tinder und andere Dating-Apps verlieren erstaunlich schnell ihren sowieso oft fragwürdigen Reiz, wenn man nur miteinander schreiben kann. Denn worüber schreibt man überhaupt? Auf Dauer habe ich keine Lust, Leuten immer und immer wieder aufs Neue zu erklären wie denn meine Quarantäne läuft. Da ich aber bisher nicht damit aufgehört habe, muss es wohl einen Beitrag dazu leisten mich in Isolation bei Verstand zu halten. Bis sich die Situation also ändert, halte ich es wie Billy Idol, oh oh, dancing with myself.
Bildquelle: chrysalis records, ltd
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