Kommentar. Die deutschen Kommentarspalten erheben sich gegen das Ende der Freiheit – doch es geht nur um die eigene Rücksichtlosigkeit.
Seit Beginn der derzeitigen Krise kämpft eine Reihe deutscher Publizist*innen nicht gegen das Virus, sondern gegen die gesellschaftliche Reaktion darauf. Allen voran der Spiegel-Erbe Jakob Augstein. Nun turmt er sich in streitbarem Rebellentum gegen die Autoritäten auf, die unsere Freiheiten einschränken und vermeint in denjenigen Obrigkeitshörigkeit zu entdecken, die die Kontaktsperren aus gegenseitiger Rücksicht annehmen.
Selbstverständlich ist die Debatte um die Einschränkungen unserer durch das Grundgesetz zugesicherten Rechte und Freiheiten nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine politische Debatte. Das erkennt auch Augstein an und sagt, er interessiere sich „für Menschen, nicht für Viren.“
Doch es geht Stimmen wie diesen nicht um Menschen, sondern um die eigene, rücksichtslose Freiheitsausübung. Der volle Zynismus spiegelt sich in einer Argumentationsweise wieder, die in der Essenz abspricht, dass es um Leben geht. Denn es führe in die Irre, mit Leib und Leben zu argumentieren, so Augstein. Es sei ein totales Argument, das jede Debatte unmöglich mache. Eine perfide Taktik, denn es geht in dieser Krise tatsächlich um Leib und Leben. Würde er diese grundlegende Prämisse anerkennen, müsse er seiner eigenen Logik folgen, aber schon diese wird abgesprochen um die Gefahren zu verharmlosen. Vulgärethik nennt er die Sorge um Menschenleben als primäres Gut. Stattdessen solle man den Körper nicht zum Schlachtfeld der Medizin machen – nicht mit allen Mitteln zurückschlagen.
Es ist der Versuch des großen Wurfs eines Publizisten, der durch sein Spiegel-Erbe ein vergrößertes Sprachrohr hat und nun die Gefahr sieht, dass nicht ihm, sondern anderen Menschen – Expert*innen – Gehör geschenkt wird.
„Kultur, Glück, Gemeinschaft, Freiheit zum Beispiel …“ antwortet er auf die Frage, was denn wichtiger wäre, als der Schutz des menschlichen Lebens. Wer die eigene Freiheit und das eigene Glück so auslegt, dass sie nicht da enden, wo Freiheit und Glück anderer Menschen beginnen, kämpft nicht für Freiheit, sondern für Egoismus.
:Stefan Moll
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