Reportage. Am 20. April hat das neue Semester als Onlinesemester begonnen und was soll man sagen? Aller Anfang ist schwer.
Nach dem langen Warten und mühseligen Zusammenschreiben von Hausarbeiten und Essays bin ich bereit für das neue Hochschulhalbjahr und auch wenn die aktuelle politische und medizinische Lage es nicht zulässt, an die Uni zu gelangen, habe ich Bock. Ein Onlinesemester erspart mir das Pendeln und das Beste? Arbeit und Uni kann ich viel besser vereinbaren. Naja, das dachte ich zumindest, bis ich den Workload der Kurse vor Semesterstart gesehen habe: Hier einen Podcast aufnehmen, Lesetagebuch dort führen, Essayabgabe bis zum 26. April. Naja, läuft, würde ich mal sagen.
Nicht zu vergessen, die Zoom-Seminare, die von 45 Minuten bis zu sieben Stunden gehen können. Das mit der Uni und Arbeit hatte ich mir einfacher vorgestellt, aber was soll man machen. Während ich mir meinen Plan mit den Abgaben fertig mache und krampfhaft versuche, in Moodle oder RUB-Mail reinzukommen, sehe ich in der RUB-Instagramstory die perfekt arrangierten Arbeitsplätze, die einem suggerieren sollen: „Guck mal, wir kriegen das gemeinschaftlich voll gut und ohne Probleme hin.“ Aber ist das die Realität? Ich rede mit Kommiliton*innen, die mir von Überforderung berichten und sich allein gelassen fühlen, da sie sich fragen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, weil sie keinen Job mehr haben. Und diese Überforderung kann ich nachvollziehen. Ich frage mich, ob es nicht authentischer gewesen wäre, mal das zu zeigen, als uns eine heile Welt vorzugaukeln.
An Tag drei fühle ich mich privilegiert, ich habe einen Laptop, der alles mitmacht und kann die Texte sogar ausdrucken, während einige meiner Seminarteilnehmer*innen das nicht vorweisen können und ab und zu einen dummen Spruch von der Lehrkraft ernten. Für manche ist es anscheinend unverständlich, keinen Computer oder Laptop zu haben und alle, die kein gutes Mikrofon haben, sind eh schon raus. Nach dem Motto: „I want to hear you, my dear!” Natürlich arbeitet nicht jede*r Dozent*in mit Zoom, sondern auch Jitsi, YouTube, WhatsApp-Gruppen oder Etherpads. Und während der Unterricht im vollen Gange ist, bekomme ich weiterhin E-Mails (die man in guten Momenten sogar öffnen kann), die mir sagen, „Dieser Kurs xy findet unter einem anderen Namen statt, melden Sie sich via E-Campus um.” Wuhu, Kartenlesegerät sei Dank, habe ich die Möglichkeit, genau dies zu tun. Diejenigen, die es nicht haben, sollen eine Mail an die Lehrenden schreiben. Ich frage mich, ob es nicht einfacher gewesen wäre, uns alle umzumelden, als zig Mails zu bekommen mit dem Betreff: „Ummeldung bitte“.
Was hier so negativ klingt, ist im Grunde genommen für mich persönlich halb so wild und schnell wieder vergessen. Denn es ist die erste Woche im ersten rein digitalen Semester und wir können viel davon mitnehmen. Doch was für einige als unangenehm, aber machbar wahrgenommen und eingestuft wird, ist für andere Stress. Gerade für Menschen, die alleine wohnen, oft draußen Aktivitäten ausführten oder einfach unter dem Social-Distancing leiden. All diese Punkte können einen weitestgehend überfordern und dort könnten wir helfen. Natürlich dürfen wir aber nicht vergessen, dass es sein kann, dass es in zwei Wochen schon als Normalität gilt, da wir uns daran gewöhnt haben. Und ich weiß, unser Stresslevel wird dann auch sinken. Dennoch zeigt uns/mir das Onlinesemester einmal mehr auf, dass Studierende, die ihr Studentenleben aufgrund von finanziellen Missständen mehr analog sowie in und um den Campus organisiert haben, es wesentlich schwieriger haben.
:Abena Appiah
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