Reportage. Egal ob Joggen oder Skaten, in letzter Zeit verbringen wir viel Zeit draußen. ALLEINE will ich doch hoffen! Immer die gleichen Wege zu gehen ist auf Dauer langweilig. Hier also meine Bewältigungsstrategien dieser Einöde menschlicher Bewegung.
Mittlerweile sind keine-Ahnung-wie-viele Wochen seit dem Beginn meiner Isolation vergangen. Die anfängliche Euphorie, etwas Gutes zu tun, indem man sich selbst isoliert, weicht immer mehr dem Verlangen, Menschen zu umarmen und übers Gesicht zu lecken. Die Ungeduld macht sich langsam breit und immer öfters fragt man sich, ob das Disney+-Abo vielleicht doch noch nötig ist, da man gefühlt jede Serie durchgeschaut hat. Trotzdem bleib ich meiner Isolation treu. Mittlerweile mehr aus Prinzip als aus Solidarität und weil ich mir auch kein anderes Leben mehr vorstellen kann.
Mein träger Alltag wird nur durchbrochen durch meine tägliche Joggingeinheit. Ja, ich habe angefangen, zu joggen. Unter anderem habe ich auch aufgehört zu rauchen, Kaffee zu trinken, Fleisch zu essen und Alkohol zu trinken und ja, ich habe vor, es in Gesprächen dauerhaft zu erwähnen und zu erzählen, wie gut ich mich fühle. Aber hier geht es nicht darum, wie mein Körper mein Tempel ist, sondern um das Problem mangelnder Laufrouten in Bochum. Die gefühlt zwei Parks kennt man schnell in und auswendig. Für die meisten reicht vielleicht auch die Runde im Westpark, aber nicht mir. Ich brauche wechselnde Routen. Joggen ist für mich das neue feiern gehen. Hier sieht man sich oder wird gesehen. Ich mach mich hübsch fürs joggen, zieh mir die besten Laufschuhe an, trage die stylischsten Shirts und die freshesten Hosen.
Irgendwann kam mir dann die Idee, einfach loszulaufen und mir die Route während ich jogge, nicht zu planen. Auf einmal tat sich ein neues Bochum auf. Fernab von Hauptstraßen, durch Wohngebiete, die tatsächlich schön aussehen. Wohngebiete mit Bäumen und Pflastersteinen, alte Arbeitersiedlungen mit gigantischen Hinterhöfen und große leere Industriegebiete mit apokalyptischem Charme. Plötzlich entdecke ich Bochum fernab von meinen eingetretenen Pfaden. Erschrocken bemerke ich, wie ich über Jahre immer nur eine Seite dieser Stadt kennengelernt habe. Meine Anstrengungen, Bochum als ein vielfältiges Tohuwabohu wahrzunehmen, welches ich mir immer zu erträumen versuchte, standen nur mir selbst im Weg. Nie habe ich mal versucht diese Stadt wirklich zu entdecken.
Jeden Tag eine andere Route, eine neue Route. Jeden Tag Bochum in einer neuen Facette entdecken und immer wieder überrascht werden, welche netten Ecken es außerhalb der üblichen Lieblinge gibt. Und das alles ohne Körperkontakt, ohne Anfassen mit ein bis zwei Meter Abstand und Mundschutz. Auf einmal wird mein Aussehen unwichtiger, joggen ist nicht mehr gesehen werden, sondern entdecken, genießen.
Mein Appell also an Euch: Geht raus. Haltet Abstand. Entdeckt neue Routen und haltet euch von den üblichen Ecken, in denen Ihr euch sonst so rumtreibt, fern. Biegt lieber mal links anstatt rechts ab und lauft ein wenig länger als sonst. Es wird wohl für die nächste Zeit einer der wenigen Tapetenwechsel sein, die wir uns mit gutem Gewissen leisten können. Jede Form der Abwechslung – die wohl im Moment bitter nötig ist – kann einer Person nur gut tun und ab und zu mal beim Spazieren gehen einen neuen Weg einzuschlagen, ist wohl die einfachste Art und Weise, dem Lagerkollaps für einige Minuten zu entkommen. Selbst wenn weitere Lockerungen zumindest zur Diskussion stehen, müssen wir uns im Klaren sein, dass wir noch weit vom Ende der Pandemie entfernt sind und uns weiterhin an die Vorschriften der sozialen Distanz halten sollten. Viel Spaß beim neu entdecken.
:Gerit Höller
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