Erfahrungsbericht. Illegaler Drogenkonsum ist vielschichtig. Auf der einen Seite gibt es die Konsument*innen und auf der anderen die Händler*innen. Wie sieht diese andere Seite aus?
Es ist Sonntagnachmittag und ich telefoniere mit einem Drogendealer. Anfangs wirkt das ganz schön komisch, mit einer Person zu reden, die Designerdrogen sowie Cannabis handelt und zwar so viel, dass diese Person davon leben kann. Trotz allem kommt man schnell ins Gespräch über den Alltag, Corona und generell das Leben. Nach einigen Minuten des Plausches wird es dann ernster. Ich frage die Person als erstes, ob es moralische Bedenken gibt, in Bezug auf den Handel mit Drogen. Zumindest unterstützt man in manchen Fällen Suchtverhalten von bestimmten Personen. Die Antwort sei schwierig, meint die Kontaktperson. Zum einen wisse man natürlich, was man da mache, jedoch schwindet schnell die Angst vor der Substanz an sich, wenn man jeden Tag damit konfrontiert ist. Zum anderen handele man ja nicht mit härteren Substanzen und man merke auch nicht wirklich Suchtverhalten bei seinen Konsumenten. Auf die Frage, wie er reagieren würde, wenn er merkt, dass jemand süchtig ist, ist es für eine Weile still. Es gäbe schon Kund*innen, die sehr oft vorbeikommen würden, aber es sei nicht die Aufgabe des Dealers zu hinterfragen, wer da gerade einkauft. Ein*e Kneipenbesitzer*in würde auch nicht seinen*ihren Stammgäst*innen sagen, dass sie weniger konsumieren sollten, zumindest ist das nicht ihre Aufgabe.
Es scheint schwierig zu sein, zu fragen, welche Moral hinter dem illegalen Drogenhandel steckt und schnell wird klar, dass eine definitive Antwort darauf bei einem*einer Händler*in auf eine Art Verharmlosung stößt. Offensichtlicherweise kann man sich als Dealer*in nicht selbst verurteilen, denn dann müsste das Geschäft schnell eingestellt werden.
Wie steht man eigentlich als Drogendealer*in zur aktuellen Drogenpolitik in Deutschland? Meine Kontaktperson lachte über die Frage und antwortete, dass es in Deutschland mit der Drogenpolitik komisch sei. Die vielen Grauzonen machen es einem tatsächlich sehr einfach. Zum Beispiel verkaufe er auch legal erhältliche Produkte wie Kratom, das ähnlich wirkt, wie manche Opiate. Auch wäre die Regelung zu Cannabis sehr entspannt. Ein Freund von ihm hätte vor ein paar Jahren versucht, 300 Gramm Cannabis aus Holland nach Deutschland im Zug zu schmuggeln und wurde dabei erwischt. Nachdem dann vom Zoll Anzeige gegen ihn erstattet wurde, hätte sein Kumpel noch nicht mal eine Haftstrafe bekommen. Solange man nicht direkt bei der Tat erwischt werden würde, kann man sogar unter Verdacht stehen und es würde nichts passieren. Mein Kontakt fügte hinzu, dass er auch schon öfter unter Beobachtung stand und dann einfach eine Pause gemacht hätte bis er sich sicher war, nicht mehr unter Verdacht zu stehen. Generell sei es überraschend einfach, große Mengen an Drogen über das Darknet zu bestellen und an eine Paketabholstation liefern zu lassen. Wenn man die Abholstationen häufig genug wechsele, würde niemandem auffallen was man da macht.
Es bleibt für mich nach dem Gespräch weiterhin fragwürdig, den Handel mit illegalen Drogen so auf die leichte Schulter zu nehmen. So etwas wie eine Garantie für die Sicherheit der Konsument*innen gibt es nicht in einem Markt, der nur aus Eigeninteressen besteht. Witzig finde ich das Ganze nicht wirklich, wenn man bedenkt, wie viele suchtkranke Menschen in Deutschland leben und welche Arbeit hinter den vielen sozialen Einrichtungen steckt, die versuchen mit dem Thema Sucht umzugehen. Auf der anderen Seite kann ich eine*n Dealer*in nicht wirklich verurteilen für das, was sie tun. Schließlich gibt es verschiedene Gründe mit so etwas anzufangen und alle Personen über den gleichen Kamm zu scheren, erscheint mir nicht produktiv. Fest steht, dass Deutschland an seiner Drogenpolitik etwas ändern muss und am besten im engen Kontakt mit Personen, die sich mit so etwas auskennen.
:Gerit Höller
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