Mysteriös. Vergangenen Freitag wurde es kunstvoll gruselig in Bochum: Das Theaterstück „Geister“ feierte seine Uraufführung in der Zeche 1.
Ganz das Ruhrgebiet: Auf der Zeche wird gerödelt. Allerdings hat es nichts mit Berg- oder Kohlebau zu tun und es sind auch keine tanzenden Teenager*innen involviert, die mit den Persos ihrer großen Geschwister auf dem Tanzparkett gelandet sind. Vielleicht sind es aber unter anderem auch ihre Geister, die vergangenen Freitagabend heraufbeschworen wurden. Denn gleich neben der ehemals allseits bekannten Diskothek wird die Zeche 1 derzeitig als Aufführungs- und Austragungsstätte verschiedener Projekte des Bochumer Schauspielhauses genutzt, wie beispielsweise schon im Zuge des DIVE-Festivals für die Sense-Factory, einer begehbaren Rauminstallation für alle Sinne (:bsz 1233). Ein besonderer Luxus der Räumlichkeiten der Zeche 1 sei vor allem die Möglichkeit, lange im Originalbühnenbild proben zu können und so geschehen ist dies über die vergangenen acht Wochen für die Probearbeiten an „Geister“, einem Theaterstück von Florian Fischer und Ensemble.
„Es geht nicht um typische Poltergeistgeschichten“, hieß es vorab von Regisseur Fischer. Wie ein Bühnen-Essay beschäftige „Geister“ sich vielmehr mit der Frage „Wie es wäre einem Geist zu begegnen“, beschrieb es „Geister“-Dramaturgin Felicitas Arnold. Es soll geisterhaftes veranschaulichen, sei es im Sinne von Erinnerungen, Träumen, Geistern der Zukunft oder der Vergangenheit. All das in einem emphatischen Raum. „Das Publikum atmet zusammen“, nennt es Regisseur Fischer. Denn bei „Geister“ wird mit den Sinnen der Zuschauer*innen gespielt. Der Raum ist dabei ein weiterer Mitspieler, genauso wie die Musik, Gerüche und Feuer.
Man taucht ein in einen dichten Nebel, der den ganzen Raum füllt, auf den Stühlen der Zuschauer*innen liegen alte Fotos von Kindern, dabei vernimmt man einen angenehmen Geruch von Fenchel und kurz darauf beginnt das Spiel. Man erahnt zunächst nur etwas Licht sowie die Umrisse der Füße eines verlassen in der Dunkelheit stehenden Menschen. Seine Stimme erklingt gebrochen. Es beginnt eine Stunde, Geisterstunde, in Szene gesetzt. Wunderbar mystifizierend gespielt von vier Darsteller*innen, die immer wieder neue Gedanken verkörpern durch Monologe, Spiel, Tanz, Performance und Spuk. Die Geschichte soll sich dabei im Kopf des Publikums bilden, ohne dass man alles verstehen müsse. Aber es macht großen Spaß, dieses geisterhafte Treiben zu verfolgen. Man wird immer wieder aufs Neue in den Bann gezogen und teilt dabei kurze Momente mit schemenhaften, teilweise schon fast verblassten Erinnerungen von fremden Menschen, manche unheimlich, manche schön.
Das Werk entstand als eine Form kollektiver Arbeit, bei der jede*r der Darsteller*innen eine eigene Art des Ausdrucks mitbrachte, sei es Schauspiel-, Körper-, Perform- oder Videokunst. Gemeinsam mit „vielen Gedanken von allen, die mitgearbeitet haben“, teils biografisch, teils aus Wikipedia Artikeln oder historisch verankert. Der Ursprung dieses Werks liegt dabei bereits drei Jahre zurück und begann mit Florian Fischers Fund von sogenannten „Hidden-Mother“-Fotographien.
Wer von paranormalen Aktivitäten in den Bann gezogen werden will und wissen möchte, was es mit Hidden-Mother Fotos auf sich hat, was für eine düstere Geschichte sich hinter Fenchelgeruch verbirgt oder auch für alle, die mal Geister sehen wollen: Ihr habt gute Chancen in der Zeche 1, denn „Geister“ hat bis zum 9. Februar noch neun Aufführungen dort. Also nutzt Eure studentische Theaterflat für eine zeremonielle Annäherung an Geister und geht dem ganzen selbst auf die Spur.
:Christian Feras Kaddoura
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