Bild: Ein Teil, der das Ganze repräsentiert: Der Westpark als Fraktal des Ruhrgebiets und darüber hinaus., Audioguide Viviane Lennert

Kunst. Die Szenische Forscherin Viviane Lennert hat mit re:ANIMA einen fantastisch-kuriosen Audioguide durch den Westpark erstellt.

Flanieren. Spazieren. Umhertrödeln. Es gibt viele Bezeichnungen für diese eine, gefühlt ach-so-deutsche Art des Zeitvertreibs und Entspannens. Es ist gleichzeitig die Aktivität, der man nachgeht, während man sich den Audioguide re:ANIMA, der die Spaziergänger*innen durch den Westpark führt, anhört. Der Guide wurde von der Studentin Viviane Lennert als Abschlussprojekt im Masterstudiengang Szenische Forschung an der RUB erstellt. Doch irgendwann, während man umherschlendert oder gerade die Jahrhunderhalle aus der Ferne betrachtet, kommt die Beichte: Sie selbst war nie sonderlich vom Spazieren angetan. Wie denn auch? Die Natur war in ihrer pfälzischen Heimat überall, kein Grund zu spazieren. Es ist eines der vielen persönlichen Details, die witzig bis persönlich daherkommen und den Guide zu einer unterhaltsamen, nachdenklich stimmenden und faszinierenden Erfahrung machen. re:ANIMA funktioniert dabei ein wenig wie ein Abenteuer-Spielbuch für die Ohren – nach den meisten kurzen Kapiteln hat man die Wahl, über was man mehr erfahren möchte. Die Geschichte des Westparks? Fraktaltheorie? Die Enstehung des Audioguides? Die utopische Vision des ANIMA-Parks? So dauert der Rundgang je nachdem wie zielgerichtet man vorgeht auch kürzer oder länger, maximal jedoch rund zwei Stunden.

Doch einen Schritt zurück – denn was ist das titelgebende ANIMA überhaupt? Für Viviane startete das Projekt vor rund drei Jahren, als sie auf eine Broschüre der Stadt Bochum aus den 90ern stieß. Darin beschrieben war ANIMA, ein Projekt des Künstlers André Heller, ein geplanter, ganzheitlicher Entspannungspark, der auf dem Gelände des neues Westparks um die Jahrhunderthalle entstehen sollte. Ein magisch-sensationell klingender Ort. „ANIMA – ein stiller Ort von meditativer Kraft, der bewußt dem Lärmen und Brausen der reizüberfluteten Welt entgegensteht. Alle Sinne werden erreicht, aktiviert, Verschüttetes aus Kinderzeit zutage gefördert. Sehnsüchte, die jeder Mensch in sich trägt, finden den Raum, ausgelebt zu werden“ heißt es in der Broschüre. Doch dann konnte ANIMA doch nicht geschaffen werden – zumindest nicht in Bochum, dafür jedoch in  Marrakesch. Was bleibt, ist eine Erinnerung, die in den Köpfen der Spaziergänger*innen neu belebt wird.

re:ANIMA überlagert den reinen geographischen Raum des Westparks mit vielen Schichten des Sichtbaren, des Unsichtbaren, Vergangenem sowie Heutigem, dem utopisch-magisch Verspieltem und der rauen und kalten Realität des Ruhrgebiets. Und durchweg ist da diese Stimme, die ge- und begleitet und einen Anker gibt. Denn bei allem weit Entferntem, der Philosophie und dem kurios wirkenden Kitsch führt der locker-witzige Charme der Erzählerin die Zuhörer*innen durch den Park und lässt diesen auf eine völlig andere Art erscheinen.

:Stefan Moll

Info:Box

re:ANIMA wurde in Unterstützung mit der Betreibergesellschaft der Jahrhunderthalle Bochum, der Bochumer Veranstaltungs-GmbH, der Kunstvereine Ruhr sowie der Gesellschaft der Freunde der RUB erstellt. Ab dem 18. Oktober kann man sich den Audioguide samt Karte und Broschüre im Pumpenhaus an der Jahrhunderthalle ausleihen.

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