Deutschland ist bekanntlich ein Land der Gesetze und Normen. Natürlich gibt es deshalb auch ein Gesetz, das die Ordnung der Universitäten regelt – das Hochschulgesetz. Dieses war in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren häufiger Debattenbrennpunkt und unterzog sich mehreren Änderungen, beziehungsweise sogenannten Novellen. Denn nachdem 2014 durch die damalige rot-grüne Landesregierung ein hart umkämpftes Gesetzespaket verabschiedet wurde, das Dinge wie die Exmatrikulation von Langzeitstudierenden sowie Anwesenheitspflichten abschaffte und Vorgaben für Frauenquoten einsetzte, hagelte es Kritik aus Wirtschaft und Wissenschaft. Diese sahen sich in ihren Freiheiten begrenzt.
Daher kam es in diesem Jahr unter der 2017 gewählten schwarz-gelben Landesregierung zu einer erneuten Novelle des Hochschulgesetzes. Das selbsterklärte Ziel: die Liberalisierung von Hochschulen und Wissenschaft. Zum Leidtragen der Studierenden, denn diese sahen sich nun in ihren Freiheiten eingeschränkt und protestierten gegen wesentliche Änderungen. Beispielsweise wurden durch das Gesetz Anwesenheitspflichten erneut beschlossen, verbindliche Studienverlaufspläne ermöglicht und Exmatrikulationen von Studierenden, die den Universitätsbetrieb stören, eingeführt. Auch wurde die verbindliche Zivilklausel, also die Verpflichtung, dass die Wissenschaft nicht für militärische Zwecke forscht, abgeschafft. Die Ruhr-Universität war, wie durch Spiegel-Recherchen bekannt wurde, dennoch auch während der Zeit der Zivilklausel an Forschungen in Bereichen wie der Materialforschung beteiligt, die durch das US-amerikanische Pentagon finanziert wurden.
Der Kritik seitens der Studierenden schlossen sich auch Gewerkschaften wie die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) und der Deutsche Gewerkschaftsbund NRW an. „Mit dem neuen Hochschulgesetz gibt die Landesregierung ihren politischen Gestaltungsanspruch auf“, kritisiert Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW. „Gerade im Hochschulbereich muss es darum gehen, zu gestalten, anstatt zu entfesseln. Der Ärzte- und der Lehrermangel, der Strukturwandel und die Digitalisierung sind Herausforderungen, die nach einer politischen Gesamtstrategie für Forschung und Lehre verlangen. Wenn jede Hochschule ihr eigenes Süppchen kocht, kann das der Zukunftsfähigkeit Nordrhein-Westfalens erheblich schaden.“
Denn ein wesentlicher Knackpunkt des im September inkraftgetretenen Gesetzes ist, dass jede Hochschule im Sinne der Liberalität an nichts gebunden ist, aber alles aus dem Landesgesetz in ihre eigene Grundordnung übernehmen kann. Die Konsequenz könnte ein Flickenteppich von unterschiedlichen Hochschulordnungen sein, die es vor allem Studienbewerber*innen schwierig machen könnte, den Überblick zu behalten, welche Regelung an welcher Universität und an welcher Fakultät gilt. Wie das neue Hochschulgesetz umgesetzt wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Denn Änderungen der Grundordnung müssen erst durch die jeweiligen Gremien wie den Senat laufen. Derzeit ist noch unklar, welche Regelungen genau an der Ruhr-Universität eingeführt werden und welche nicht.
:Stefan Moll
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