Rezension. Earthgang überzeugt mit ihrem neuen Debüt, trotz der langen Wartezeit.
Vor circa einem Jahr kamen Earthgang zu COLORS, einem YouTube Musikkanal. Sie stellten damals eine neue Single ihres Albums „Mirrorland“ vor: „UP“! Zuerst ein shirtloser Johnny Venus, der laut die Worte: „Just another day!“, ins Mikro brüllt. Der Guru-ähnlich aussehende Rapper brachte eine neue Stimmung mit. In Zeiten, wo die Freaks der Szene mehr komatös auf Lean in der Ecke liegen anstatt laut zu werden und sich gegen alles zu wehren, was ihr anders sein stören könnte, schreien Earthgang dafür um so lauter. So war es dann auch keine Überraschung, dass Doctur Dot in einer knall orangenen Schußweste frech in die Kamera grinste. Die Zeiten fein zusammenpassender Duos waren vorbei. Earthgang überfordet einen.
So wartete man auf das Album. Lange. Sehr, sehr lange. Ein halbes Jahr nach der COLORS Peformance dann ein Lebenszeichen. Ein kleines Instagram-Video. Ein neuer Song: „Proud of you“ feat. Young Thug. Kurz darauf kam, wie versprochen, die Single. Doch was war eigentlich aus der Single UP geworden? Es dauerte ein weiteres halbes Jahr bis man die Frage beantworten konnte. Denn endlich kam das Album.
Wären Earthgang nicht so unheimlich sympathisch, fände man das Album wahrscheinlich gar nicht mal so gut. Also immer noch sehr gut, aber nicht „3.400 Zeichen für die :bsz schreiben“ gut. Man fühlt sich teilweise auf den Arm genommen. Zum beispiel: In der letzten Hälfte des ersten Songs auf dem Album,fordert eine Frau in einem Restaurant extra knusprige Pommes, nicht wie letztes Mal, diese schlabbrigen Scheißteile! Extra Crispy!
Dafür aber, wie für Rapper aus den amerikanischen Südstaaten üblich, strotzt das Album mit Soul-Elementen und überraschenderweise finden sich wenig Trapdrums, obwohl Earthgang eigentlich aus Atlanta kommen, dem Mekka des Traps. Aber keine Sorge! „Top Down“, „Bank“ und „Avenue“ hauen dann doch ziemlich rein. Kommen wir nun mal zum Flow. Johnny Venus und Doctur Dot haben die Fähigkeit, in einer Art und Weise zu flowen, in der man nicht in der Lage ist, nachzuvollziehen, was gesagt wird, ohne dass genuschelt wird. Der Flow ist einfach zu komplex hier und da. Es werden endlose Wortketten gebaut, die sich dann doch plötzlich in einem Paarreim auflösen. Es ist neu. Es ist erfrischend. Es zeigt, dass Rap nicht mehr Gangster sein muss. Vielleicht ist es auch eine Rückbesinnung auf das, was Rap mal war und wieder sein soll. Das Album scheint mehr ein Experiment zu sein, wo erstmal geguckt wird, was funktionieren könnte. Der einzige rote Faden scheint der zu sein, zu gucken, was gut klingt und was nicht. Dreamville als Label hinter sich stehen zu haben, hilft dabei sicherlich. Das von J Cole gegründete Label macht den Eindruck, mehr Kollektiv als Business zu sein. Dass das Label sehr erfolgreich ist, schadet bestimmt nicht.
Die Southside hat auf jeden Fall zwei neue Gesichter, die so schnell nicht weggehen werden. Man kann nur hoffen, dass der fruchtbare Boden bei Dreamville zu etwas führen wird. Das Album zeigt: Earthgang sind ungeschliffene Diamanten. Das Album ist ein großes Chaos, doch lässt erkennen, dass da zwei Leute ziemlich gute Ideen haben. Jetzt muss nur noch klar werden, worauf die beiden eigentlich hinaus wollen und wir können, neben Lil Wayne, Earthgang als die Könige des Südens krönen.
Wenn Du also mal wieder Lust auf etwas neues hast, dann höre Dir „Mirrorland“ an. Unsere Lieblingssongs: „LaLa Challenge“, „UP“ und „This Side“. Earthgang muss die Welt wahrscheinlich noch ein wenig von sich überzeugen, wir werden auf jeden Fall hinter
ihnen stehen.
:Gerit Höller
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