Gleichberechtigung. Am Freitag veranstaltete das Gleichstellungsbüro zum ersten Mal den Tag der Gleichstellung. Zeit zurück, vor allem aber nach vorne zu blicken.
Zwei Jahre nach der Gründung der Ruhr-Universität 1962 wurde mit Ingrid Strohschneider-Kohrs die erste Professorin an die Universität berufen; 1965 immatrikulierte sich die erste Studentin. Das verrät ein Zeitstrahl, der am Freitag, dem Tag der Gleichstellung im Audimax ausgestellt war. Fünf Meter weiter steht auf einem Schild, dass zurzeit 74,6 Prozent der RUB-Professor*innen männlich sind. Der Freitag fuhr in Form von bunten Aushängen und Plakaten auf, was die Uni für „Gleichstellung“ tut. Einige betreffen indes nicht nur die Gleichsetzung von Frauen und Männern, sondern doppelte und intersektionale Diskriminierung innerhalb und außerhalb der Uni.
Zum ersten Mal hatte das Gleichstellungsbüro den „Tag für Gleichstellung“ veranstaltet und im Vorfeld 265 Anmeldungen erhalten. Die Grundidee sei gewesen, so Friederike Bergstedt, die zentrale Gleichstellungsbeauftragte, die große Uni mit den vielen Akteur*innen und Initiativen, die an ähnlichen Projekten arbeiteten, besser zu vernetzen. Als Gleichstellungsbeauftragte sei ihr Job rechtlich aber auf Belange von Frauen konzentriert.
Dieses Problem nimmt auch Referent Tobias vom Autonomen Schwulenreferat wahr, wenn er durch die Flyer- und Muffinlandschaft schlendert. Die Stände, nicht aber die Vorträge am Tag der Gleichstellung schauten über den feministischen Tellerrand und adressierten auch die Interessen der LGBTQ*-Community. „Die RUB schreibt sich vieles auf die Flagge. Menschlich und weltoffen ist leichter gesagt als getan“, sagt Nina von Witzleben, die neue Gleichstellungsbeauftragte der Studierenden an der Uni. Sie weist darauf hin, dass viele Studierende einer Doppeldiskriminierung ausgesetzt seien – so etwa Menschen mit Behinderungen. Ein weiteres Thema seien sexuelle Belästigung und Sicherheit auf dem Campus, für das auch die Kampagne „Unser Campus“ des Akafös und Gender Studies sensibilisieren möchte. „Besonders im Sommer, wenn es heiß ist, wird man als Frau angestarrt“, so von Witzleben.
Eine egalitäre Einstellung herrsche auch gegenüber Schwierigkeiten, denen Studierenden mit Kind ausgesetzt sind. „Wir haben nicht mal Zahlen, wie viele Studierende mit Kind es hier gibt“, sagt Kerstin Tepper, die die „Familiengerechte Hochschule“ koordiniert und sich für die Vereinbarkeit von Familie und Studium, Wissenschaft und Beruf einsetzt und von etwa fünf Prozent ausgeht. Was man sicher wüsste, sei, dass sich die Vereinbarkeit von Studium und Kind an der RUB noch schwierig gestalte. Es fehlten ausreichend flexible Kinderbetreuungsangebote auf dem Campus, wie es sie für Beschäftigte gebe. Für die Wichtigkeit von persönlichen, alltagsorientierten Lösungen plädiert auch Marc Brandt, der zeitgleich für den Die Linke.SDS einen Vortrag und Workshop zum Thema „Kritische Männlichkeit“ hielt. Losgelöst vom Tag der Gleichstellung erarbeiteten die Teilnehmer*innen individuelle Ansätze gegen patriarchalische Strukturen und problematische Männlichkeit. Ob man sich wehren könne, hänge oft von Charakter und sozialer Schicht der Person ab, so Brandt. Je höher die Hierarchie, besonders an der Uni, desto festgefahrener seien Strukturen. Teilnehmerin Doris berichtet so von naturwissenschaftlichen Professorinnen, die Frauenfeindlichkeit verinnerlicht haben: „Die haben sich da hochgebissen und haben Haare auf den Zähnen“. Banale Lösungen gebe es nicht, sagt Brandt: „Teil meines Workshop-Projektes ist auch, dass ich’s nicht weiß“.
:Marlen Farina
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