Bild: Der Durchnitt der Gesellschaft ist in der Wissenschaft nicht repräsentiert: Juniorprof. Karim Fereidooni. , Homogenität bei Namen Bild: Dr. Karim Fereidooni

Interview. Eine Auflistung des Magazins „Zeit Campus“ hat die Namen deutscher Hochschulprofessor*innen untersucht. Karim Fereidooni, Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der RUB, machte darauf aufmerksam, dass einige Gruppen kaum vertreten sind.

Warum haben Sie eine Pressemitteilung herausgegeben?

„Zeit Campus“ hat eine Namensliste mit den häufigsten Professor*innennamen publiziert. Sie haben etwa 60.000 Namen von Professor*innen in Deutschland ausgewertet und es kam dabei heraus, dass die häufigsten Namen Hans, mit etwa 2.000 Namen auf Platz eins, gefolgt von Klaus, Peter und Wolfgang sind.

Und ab Platz 62 kommen dann die ersten Frauennamen.

Genau. Zunächst einmal finde ich es interessant, dass es viel mehr Männer als Frauen in der Professor*innenschaft gibt. Das sagt bereits etwas über unser Wissenschaftssystem aus. Warum fehlen mir einige Personen und welche Namen fehlen mir nun? Ich glaube, dass die Abbildung von Diversität nicht nur in Bezug auf das Geschlecht vorgenommen werden sollte, sondern zusätzlich noch andere Kategorien hinzugenommen werden sollten, wenn es darum geht zu ermitteln, wer weshalb in der Wissenschaft nicht bis in die höchsten Ränge aufsteigt. In der Liste fehlen Personen of Color oder Schwarze Deutsche, die eben manchmal nicht Helmut oder Hans, sondern Ali und Kofi, Amma und Muhammed heißen. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Wissenschaft, jedenfalls noch nicht, ein Spiegelbild unserer Gesellschaft ist und das gilt es zu verändern.

Welche Kategorien sind noch zu untersuchen, denn der Name verrät doch nicht alles, oder?

Naja, die häufigsten Namen der Liste weisen eine gewisse Homogenität auf. Wenn das betrachtet wird, könnte man annehmen, dass das eher Personen sind, die als „weiß-deutsch“ gelesen werden können. Und nicht Deutsche of Color oder Schwarze Deutsche oder Personen, die international aufgewachsen sind und erst als Erwachsene nach Deutschland gekommen sind. Mir geht es auch darum, eine Debatte über die internationale Attraktivität des Wissenschaftsstandortes Deutschland anzustoßen.  Wenn wir davon ausgehen, dass ein Viertel der bundesdeutschen Gesellschaft im Durchschnitt einen sogenannten „Migrationshintergrund“ besitzt, dann müssten eigentlich auch andere Vornamen ganz oben rangieren.

Woran kann es liegen, dass ein Viertel der Bevölkerung unter den Professor*innen nicht abgebildet wird?

Da müssten wir uns den Rekrutierungsprozess an Universitäten anschauen. Häufig startet die wissenschaftliche Karriere von Professor*innen als studentische Mitarbeitende, die später zu Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen werden, die wiederum die Chance erhalten zu promovieren und zu habilitieren und dann vielleicht eines Tages eine Professur erhalten. Ich würde die Selektionspraktiken in den Fokus nehmen, die bei der Auswahl von Mitarbeiter*innen wirkmächtig sind. Ich habe beispielsweise von einer Kollegin gehört, die einige Studierende of Color beschäftigt, dass die Kolleg*innen zu ihr gekommen sind und gesagt haben: “Warum beschäftigst du nur Ausländer?“ Solche Dinge passieren in den Universitäten. Erstens werden Personen of Color häufig nicht als Deutsche wahrgenommen und zweitens fällt es auf, wenn an einem Lehrstuhl nicht nur weiß-deutsche Personen beschäftigt sind. Aber gleichzeitig muss konstatiert werden, dass es nicht auffällt, wenn an einem Lehrstuhl nur weiß-deutsche Personen beschäftigt sind. Es scheint ganz normal zu sein, dass Markus von Markus eingestellt wird, Hans von Hans und Petra von Petra, aber Ali und Muhammad nicht. Weil man denen vielleicht nicht so viel zutraut. Es geht um die diversitätbewusste und rassimuskritische Ausrichtung von Rekrutierungswegen. Es kommt wahrscheinlich in der Wissenschaft auch drauf an, wer als Expert*in dargestellt wird und wer als Betroffene*r fungiert. Und diesbezüglich kann festgestellt werden, dass Hans, Michael, Paula und so weiter eher als Expert*innen von Berufungskommissionen wahrgenommen werden als Personen, die Ali, Kofi oder Fatima heißen. Generell würde ich über institutionellen und individuellen Rassismus sprechen, der bei der Selektion von Mitarbeiter*innen eine Rolle spielt.

Glauben Sie, dass Menschen mit Migrationshintergrund, Personen of Color oder Schwarze Deutsche mehr Leistung erbringen müssen, um in die gleiche Position wie weiß-deutsche Menschen zu kommen?

Ja, das glaube ich schon. Doppelte Standards spielen in der wissenschaftlichen Arbeitswelt eine ganz wesentliche Rolle. Dass weiß-deutsche Frauen weniger häufig eine Professur bekommen, aber auch weniger Deutsche of Color oder Schwarze Deutsche im Vergleich zu weiß-deutschen Männern aus der Mittelschicht ist Fakt. Übrigens gibt es dazu auch einige Studien aus dem U.S.-amerikanischen Kontext, die belegen, dass nicht nur weiße Frauen bei gleicher Arbeitsleistung weniger Lohn erhalten als weiße Männer, sondern dass schwarze Männer deutlich weniger Lohn erhalten als weiße Männer und zwar in denselben Berufen.

Sie haben häufig das Thema Rassismus im Schulsektor untersucht, unterscheidet sich das thematisch von diesem hier?

Ich würde schon sagen, dass Rassismus ein Grund für die geringe Anzahl von Wissenschaftler*innen of Color in der Professor*innenschaft ist. Ein anderer ist wahrscheinlich, dass Diversität in der Universität nur in Bezug auf das Geschlecht fokussiert wird. Für andere Personen, die in den Universitäten nicht repräsentiert sind, gibt es eben keine Gesetzesgrundlage, um ihre Anwesenheiten zu erhöhen. Also wenn Sie sich heutzutage für eine Professur bewerben, dann steht immer ein Satz am Ende der Ausschreibung und zwar: Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt eingestellt. Das ist spezifisch nur auf das Geschlecht gemünzt, aber andere Merkmale werden leider bislang nicht beachtet. Man kann sich zum Beispiel anschauen, wie viele Personen of Color oder wie viele schwarze Personen in den Professor*innenrängen einer Universität beschäftigt sind und da könnte man auch sagen: Wir müssen den Anteil dieser Professor*innen steigern. Momentan herrscht eine wenig ausdifferenzierte Sichtweise auf Diversität an Universitäten. Mit meiner Pressemitteilung wollte ich der Zeitschrift „Forschung und Lehre“, die in der Märzausgabe ein Schaubild zu den Zahlen von „Zeit Campus“ angefertigt hat, signalisieren, dass auch andere Personen, die nicht Hans heißen, die Zeitschrift lesen, aber irgendwie kommen wir nicht darin vor. Und warum kommen wir nicht vor? Es gibt so gut wie keine Kofis oder Fatimas als Professor*innen. Fünf Karims sind aufgelistet, hingegen rangiert Hans bei über 2.000. Vielleicht sollte man sich fragen, warum sind diese Leute nicht dort repräsentiert, obwohl ein Viertel der Gesellschaft andere Namen besitzt? Mir geht es auch darum, den Kolleg*innen vor Augen zu führen: „Hallo, es sind auch andere Personen, die nicht Hans und Michael heißen da, die auch Professor*innen werden können.“ Diese Personen besitzen zwar die Fähigkeit, aber nicht die Möglichkeit, in der Wissenschaft Karriere zu machen. Vor allem hat das auch eine Sog-Wirkung auf die Studierenden, wenn die sehen, aha, da gibt es einen Karim der ist auch Professor geworden, dann schaffe auch ich das auch. Es geht letztlich auch um Identifikationsangebote für Personen of Color und Schwarze Deutsche sowie für weiß-deutsche Personen, die nicht die Augen vor der Realität verschließen wollen.

Wie könnte man denn noch auf das Problem aufmerksam machen?

Man könnte die Ausschreibungstexte verändern, indem man schreibt: Besonders erwünscht sind Bewerbungen von Personen, die bislang nur unzureichend an unserer Institution vertreten sind wie z.B. Menschen of Color oder Schwarze Wissenschaftler*innen, oder Personen, die sich als Transgender* begreifen oder alle Menschen, die sich nicht in der heteronormativen Matrix verorten möchten. Man sollte Diversität nicht nur auf das Geschlecht fokussieren, sondern Intersektionalität ernst nehmen. Auch Menschen, die gehandicapt sind, gehören dazu.              

Das Interview führte :Sarah Tsah

Bild: sat

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