Bild: Zwischen Digitalität, Spannungen und Anziehungen: August (Frieder Langenberger) und Julia (Alexandra Sinelnikova)., norway.today in Dortmund Bild: Edi Szekely, Theater Dortmund

Theater. Der moderne Klassiker „norway.today“ ist derzeit in vielen Schauspielhäusern Deutschlands zu sehen. Nun findet er auch am Theater Dortmund unter der Regie von Frank Genser seine Bühne, und liefert dabei einen Blick auf Suizid in Zeiten von Sozialen Medien.

Im Drama norway.today von Igor Bauersima beschließen Julie (Alexandra Sinelnikova) und August (Frieder Langenberger) sich gemeinsam das Leben zu nehmen, nachdem Julie auf einer Onlineplattform einen Partner, nicht für das Leben, sondern für den Tod suchte. Die Beiden entscheiden sich, von einer 604 Meter hohen Klippe am norwegischen Lyse-Fjord zu springen, doch einmal dort angekommen, kommen die Zweifel. Die Inszenierung von Frank Genser, der sein gelungenes Regiedebut feiert, nachdem er seit 2011 festes Mitglied des Ensembles des Theater Dortmund ist, erscheint reduziert und unterstreicht die Kargheit des Schauplatzes, doch gewinnt dem Text eine Reihe interessanter Aspekte ab.

Jugendliche Überzeugungen

Julie und August wollen einen echten Moment erleben. Frei von Scheinheiligkeit und den Banalitäten des Alltags. Allerdings bleiben die Figuren selbst blass. In ihrer Flucht vor dem Alltäglichen schaffen sie es häufig selbst nicht, über Oberflächlichkeiten und unausgereiften Idealismus hinaus zu kommen. Diese Erkenntnis führt zu Konfliktpunkten zwischen den Beiden. So zieht sich durch die Inszenierung eine permanente Unsicherheit, ob die Figuren eine Verbindung zueinander finden. Der Idealismus der jugendlichen Todesromantik wird so durch die Realität von unvorhergesehenen Problemen gebrochen.
Bauersimas Text enthält viel Humor und sprachlichen Witz. Das Lockere und Makabere im Umgang mit dem Tod spielen Alexandra Sinelnikova und Frieder Langenberger mit einer jugendlichen Frische, die der Kälte Norwegens, unterstützt durch ein karges Bühnenbild, entgegensteht. Dennoch gibt es Stellen, an denen der Humor deplatziert wirkt, beispielsweise wenn Julie August genervt die Örtlichkeiten erklärt und dabei die angedeutete Klippe am Bühnenrand überschreitet. Damit wird der Bedrohung, die durch die Klippe symbolisiert ist, die Glaubhaftigkeit entzogen.

Digitaler Tod

In der Inszenierung am Theater Dortmund sticht der Aspekt von Tod im digitalen Zeitalter hervor. Während Julie und August ihren Abschied filmen, erscheint das Video auf zwei Projektionsflächen. Doch nichts wirkt richtig. Mal nicht schön genug, mal die falschen Worte. Fast endlos beginnen sie die Aufnahmen neu, formulieren ihren Abschied anders, richten sich neu her. Panisch versuchen sie, Authentizität zu vermitteln, doch scheitern daran. Der Tod als Insta-Story – in gefakter Spontanität und hübsch aufgemacht. An einer Stelle filmt August Julie ohne ihr Wissen. Ihre Reaktion, als sie es herausfindet ist eine Mischung aus Verlegenheit, Empörung und dem Versuch, den Anschein zu erwecken, sie hätte die ganze Zeit von dem heimlichen Filmen gewusst. Sie versucht, die nach außen unkontrollierte Darstellung von sich selbst umzukehren. Die Selbstkontrolle über das eigene Narrativ zurückzuerlangen, die mit dem Aufkommen von Sozialen Medien das eigene Leben immer mehr bestimmt.                                                   

:Stefan Moll

Die Vorstellungen für den 2. und 21. Februar und den 5. Mai sind bereits ausverkauft. Tickets für den 1. und 23. März starten demnächst in den Vorverkauf. Eintritt 15 Euro, ermäßigt 10 Euro.

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