Lokalgeschichte. Eine Begegnung mit der Bergbauvergangenheit in Kultur und Literatur: Das erforschten Bochumer Schulen und ein Germanistik-Team beim Projekt „Unter Tage“. Zur Abschlusspräsentation am Samstag im UFO erschienen die Drehbuchautoren des Films „Junges Licht“.
Schlote rauchen und kohleverstaubte Gesichter schauen traurig. So sieht die Region zwischen Duisburg und Dortmund aus. Zumindest im Film „Junges Licht“ von Adolf Winkelmann, der das harte Malocherleben im Jahr 1961 darstellt. Alles natürlich längst vorbei. Denn mit der Schließung von Prosper-Haniel in Bottrop, der letzten noch betriebenen Ruhrpott-Zeche, ist noch vor Weihnachten „Schicht im Schacht“.
Doch der Bergbau hat das Ruhrgebiet wie kaum eine andere Region geprägt und ist noch heute identitätsstiftend. Mit dem Projekt „Unter Tage“ erinnern verschiedene Kooperationspartner an diese Ruhrpott-Seele. Unter der Leitung von Sebastian Susteck, Professor für Neugermanistik und Didaktik der Literatur an der RUB, haben in insgesamt drei Jahren sieben Schulen über die Bergwerkrealitäten und -phantasien geforscht.
Außerhalb des Unterrichts haben die Schüler*innen jeweils ein Jahr lang gemeinsam an ihren Projekten gearbeitet. Die Ergebnisse des dritten und letzten Durchgangs präsentierten sie an diesem Samstag auf bunten Plakaten: Angefangen von den Märchen und Sagen rund um die Bergbauwelt, über die einstige industrielle Größe bis hin zum Imagewechsel einer grünen Tourismus-Ecke. Der Strukturwandel stürzte das Ruhrgebiet in eine Ungewissheit. Das sprach auch Sebastian Susteck in seiner Einleitung an: „Wird diese Region noch eine Rolle für die Energieversorgung spielen oder werden wir uns in einem großen Industriemuseum befinden?“
Ringen um Identität
Zur Abschlusspräsentation im UFO erschienen auch die Drehbuchautoren von „Junges Licht“, Nils und Till Beckmann, um über ihr Filmprojekt und die Bergbauvergangenheit zu plaudern. Die Brüder haben das Drehbuch für die Verfilmung von Ralf Rothmanns Roman geschrieben: „Wir haben gemerkt, dass Ralf Rothmann wer ist, der uns aus der Ruhrgebietsseele spricht“, erzählte Nils Beckmann.
Was sie überzeugte, war weniger Rothmanns Plot, sondern seine Sprache. Und natürlich die Darstellung der Region, wie Till Beckmann lobt: „Das ist ein Blick auf die Menschen, bei dem zwar mit Klischees gespielt wird, aber auf eine Weise, wie ich sie bisher noch nicht gesehen habe.“ Die aufwendige Verfilmung, die 2016 in Essen Premiere feierte, erscheint als triste und schroffe Lebenswelt: knochenharte Maloche im Pütt, patriarchalische Macker-Verhältnisse in den eigenen vier Wänden. „Das ist ein realistisches Bild, so war es eben“, sagt Nils Beckmann. „Das Ruhrgebiet hat eine gewisse Enge, baulich und natürlich geistig.“
Diese Enge verkörpert in „Junges Licht“ der 12-jährige Arbeiter*innensohn Julian Collien, der in einer Dortmunder Bergbausiedlung aufwächst. Die Lebenslaufoptionen variieren zwischen Anstellungen in der Zeche oder der Kokerei. „Daraus versucht der Junge zu entkommen“, wie Nils Beckmann erklärt. Als verkörpere dieser Protagonist ein Stück weit auch die Ruhrgebietsseele, so der Drehbuchautor: „Darin kann man ja seine Identität wiederfinden.“ Um diese ringen schließlich noch heute die Menschen in der einstigen Bergbauregion.
:Benjamin Trilling
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