Dass die AfD ein Denunziationsportal führt, das sich gegen Lehrer*innen wendet, die sich kritisch gegenüber der Partei äußern, ist bekannt. Nun versuchte der Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider der Partei aus Gelsenkirchen in ein Kooperationsprojekt zwischen der Ruhr-Universität und Schulen einzugreifen. Jörg Schneider ist ehemaliges Mitglied der Burschenschaft Germania, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In dem Projekt mit dem Titel „(Alltags-)Rassismus in Deutschland“ bieten Lehramtsstudierende Workshops für Schulen an. Ein Themengebiet dieser Workshops behandelt die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Nachdem eine Lehrerin die Eltern ihrer Schulklasse darüber informierte, dass sie mit ihrer Klasse daran teilnehme, erreichte die Schule sowie die Bezirksregierung in Arnsberg ein Schreiben des Referenten des Abgeordneten, in dem dieser forderte, „die Veranstaltung abzusagen und die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen“. Gleichzeitig forderte die AfD über ihre öffentlichen Kanäle eine Mobilisierung gegen die Lehrerin in Form von Anzeigen.
Eingriff in die Forschung
„Dies zeigt, dass die AfD Lehrkräfte, die Kritik an rassistischen Positionen artikulieren, einschüchtern will“, sagt Prof. Karim Fereidooni, Juniorprofessor am Institut für Sozialwissenschaft, der zusammen mit seinem Kollegen Jan Schedler das Projekt leitet. Die AfD sieht das Neutralitätsgebot verletzt, das Lehrer*innen untersagt, parteipolitische Positionen einzunehmen. Jedoch habe die Partei diese Neutralitätsverpflichtungen grundlegend missverstanden, betonen die Forscher. „Weder das im sogenannten ‚Beutelsbacher Konsens‘ verankerte Kontroversitätsgebot noch das Überwältigungsverbot begründen eine ‚Neutralität‘ oder Toleranz gegenüber menschenfeindlichen oder demokratieverachtenden Äußerungen“, so Fereidooni. „Ganz im Gegenteil: Kontroverse Positionen können nur so lange als gleichberechtigte Stimmen im demokratischen Diskurs anerkannt werden, wie sie mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Einklang stehen. Verletzende Äußerungen und rassistische Haltungen dürfen nicht nur, sondern müssen von Lehrkräften als antidemokratisch kritisiert werden.“ Daher entschieden sich die Projektleiter dazu, mit dem Schreiben der AfD an die Öffentlichkeit zu gehen. „In diesem Fall haben wir das publik gemacht, weil in den Schulen derzeit große Verunsicherung herrscht“, so Schedler. Daher wollen die Projektleiter Lehrer*innen zeigen, dass diese durchaus Positionen im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung beziehen dürfen. Der Grund, weshalb die AfD stark auf die von Lehrer*innen unterrichteten Inhalte achtet, liegt laut Schedler in einem tiefen Misstrauen gegenüber Institutionen und dem, was die AfD als Eliten betrachtet. So unterstelle die AfD, „dass diese neue Akteure ausgrenzen und Parteipolitik machen“, so Schedler.
Trotz des Schreibens fand die Lehrveranstaltung statt. Unterstützung bekamen die Forscher von der Fakultät für Sozialwissenschaft, der Professional School of Education, dem Leitungsteam des Schüler*innenlabors, der Unileitung sowie der Schulleitung und der
Bezirksregierung.
:Stefan Moll
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