Bild: Zugausfall am Montag: Die Warnstreiks der EVG führten für viele Pendler*innen zu Unangenehmheiten. , Alles zu spät Bild: stem

Kommentar. Wieder einmal kommt es zu Bahnstreiks. Diesmal ist dafür nicht die Gewerkschaft GDL, sondern die größere EVG verantwortlich. Dabei fällt GDL-Chef Weselsky mit unsolidarischen Äußerungen auf.

Nachdem die Tarifverhandlungen zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Deutschen Bahn (DB) in der vierten Runde scheiterten, rief die größte Bahngewerkschaft des Landes zum Montagmorgen zu Warnstreiks auf und spielte damit ihre Macht aus. Denn die Gewerkschaft, zu der auch Mitarbeiter*innen in den Stellwerken und Betriebszentralen gehören, kann schon mit wenigen, durch Streik verursachten Ausfällen den Schienenverkehr lahmlegen. Zwischen 5 und 9 Uhr streikten die Arbeiter*innen am Montag genau zu den Pendelzeiten.

Eigeninteresse

Eine komische Szene spielte sich jedoch an den Seiten ab. Denn auch Claus Weselsky, Chef der als wesentlich streikfreudiger geltenden Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), gab sein Wort zu hören. Anstatt sich solidarisch mit den Tarifkämpfen der Kolleg*innen zu bekennen, verniedlichte der Chef die Konkurrenzgewerkschaft EVG. So witzelte dieser, die EVG wolle nur mal zeigen, sie könne streiken. Ein bisschen Rücksicht solle man auf ein Unternehmen nehmen, das angesichts des Sparkurses schon geschwächt sei. Dass diese Worte gerade von Weselsky kommen, trägt schon eine gewisse Ironie. Denn er war es, dem im Jahr 2015 nach mehreren Streiks die Streiksucht vorgeworfen wurde. Auch der GDL warf man vor, ein gutes Angebot seitens der DB abzulehnen, so wie dies derzeit bei der EVG der Fall ist. Nun solidarisiert er sich also mit dem Konzern statt den Arbeiter*innen und versucht dadurch vermutlich, mit einem Ellenbogenschachzug eine bessere Verhandlungsposition für die eigenen Tarifverhandlungen zu erhaschen, die derzeit zwischen DB und GDL stattfinden.

Gesamtinteresse

Dieses egoistische Verhalten ist nicht nur unsolidarisch, sondern vernachlässigt, dass es der EVG nicht nur um die kurzfristigen Eigeninteressen geht, sondern auch um eine nachhaltige Restrukturierung der Deutschen Bahn. Denn die Streiks liegen, wie Thomas Gelling, Geschäftsführer der GDL, in einem internen Brief schrieb, wohl nicht nur an den Tarifverhandlungen selbst, sondern auch an breiteren Forderungen. So will die EVG beispielsweise die Kooperation zwischen Nah- und Fernverkehr verbessern.
Dies sind Forderungen, die tatsächlich Rücksicht auf das Unternehmen nehmen, indem sie versuchen, dieses zu reformieren und disfunktionale Strukturen zu überarbeiten, die dazu führen, dass nur rund 70 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich – also bis zu sechs Minuten nach eigentlicher Abfahrtszeit – sind. Dass die Deutsche Bahn unter massiven Managementproblemen leidet, ist kein Geheimnis. Diese wirken sich sowohl auf die Dienstleistung als auch auf die interne Firmenkultur negativ aus. Daher müssen nachhaltig neue Strukturen geschaffen werden, durch die der Schienenverkehr in Deutschland nicht mehr im europäischen Vergleich nachhinkt, anstatt an einzelnen Stellschrauben zu drehen, die – wenn auch wichtig – nur eine Verbesserung der Tarife ohne eine Verbesserung des Bahnverkehrs bewirken.                

:Stefan Moll
 

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