Bild: Offene Stadtversammlung am 23. Oktober: Kampagne „Bochum: Deins, meins, unsers? Innenstadt gemeinsam gestalten!“ berät über nächste Schritte. , Stadtentwicklung aktiv mitbestimmen Bild: Janek Becker

Stadtentwicklung. Die Kampagne „Bochum: Deins, meins, unsers? Innenstadt gemeinsam gestalten!“ sammelt Unterschriften gegen Privatisierung und fordert Transparenz und Einbeziehung der Zivilgesellschaft in Planungsprozesse der Bochumer Innenstadt.

„Ich finde es wichtig, dass man in der Stadt, in der man lebt, auch ein bisschen Teil hat an der Gestaltung und Entwicklung“, so begründet ein teilnehmender Student der „offenen Stadtversammlung“ am 23. Oktober sein Interesse an der Kampagne „Bochum: Deins, meins, unsers? Innenstadt gemeinsam gestalten!“, die sich jeden zweiten und vierten Dienstag des Monats in den Räumlichkeiten des Mietervereins trifft. Seit April informiert und mobilisiert die Gruppe, initiiert vom Netzwerk „Stadt für Alle“, Bochumer Bürger*innen zu aktuellen Entwicklungen in der Innenstadt und sammelt Ideen und Wünsche für die zukünftige Gestaltung und Planung. Die großflächigen Umgestaltungen und Privatisierungen sind besonders seit September letzten Jahres immer wieder Thema im Rat der Stadt. Jetzt gibt es im Rahmen der Ausarbeitung des Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) Innenstadt erstmals ein Beteiligungsverfahren seitens der Stadt.

Stadt will Innenstadt als Ganzes weiterentwickeln

Hier plant die Stadt: Entwicklungen entlang der Viktoriastrasse und ISEK Planungsgebiet. Bild: Janek Becker; verändert nach Stadt Bochum, Amt für Stadtplanung und Wohnen 2018Im November 2017 beschloss der Stadtrat die Entwicklung der Innenstadt als Ganzes. Dabei soll die Viktoriastraße als Entwicklungsachse vom Rathaus bis zum Musikforum genutzt werden. Im ehemaligen Justizgebäude wird mit dem Viktoria Karree (1), anschließend an die Fußgängerzone und den Husemannplatz (2) von einem privaten Investor ein funktionsgemischtes Geschäftsquartier entwickelt. Ein Teil der entstehenden Büroflächen sollen dabei von der Stadt als Ausgleich für den Abriss des Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ) mit einem Langzeitmietvertrag über 20 Jahre angemietet werden.
Neben dem Viktoria Karree befindet sich das sogenannte „Telekom-Gebäude“ (3), das im Juli von der Stadt gekauft wurde und zum „Haus des Wissens“ ausgebaut werden soll. Geplant ist die Ansiedlung der Stadtbücherei und Volkshochschule aus dem BVZ sowie einer integrierten Markthalle. Viktoria Karree und „Haus des Wissens“ sind dabei in die im letzten Jahr vorgestellten Leitlinien „Bochum 2030 Vision Innenstadt“ einzuordnen. Ziel ist es dabei, die Innenstadt neu zu beleben, Innovation zu fördern und für Investoren*innen und Besucher*innen attraktiver zu machen. Vorzeigeprojekte mit Alleinstellungsmerkmal sollen dabei helfen, sich im Wettbewerb der Städte besser zu positionieren.
Der seit November 2017 beschlossene Abriss des BVZ (4) soll Platz machen für modernes „Wohnen am Appolonia-Pfaus-Park„. Dabei werden die älteren Gebäude der Musikschule, des Gesundheitsamts (5) und der Appolonia-Pfaus-Park (6) mit einbezogen, ob diese Gebäude weichen müssen oder saniert und integriert werden, ist jedoch noch unklar.
Bislang fehlten Partizipationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft, das hat sich jedoch jetzt geändert. Im Rahmen des ISEK Innenstadt begann die Stadt Bochum am 6. November mit dem „Zukunftsforum Innenstadt“ ihre Beteiligungsverfahren. Unter dem Slogan „Bo wird Bäm!“ wird die Stadt dabei Quartiersrundgänge, Bürger*innenbefragungen und Online-Umfragen durchführen. Ziel ist die Entwicklung eines integrierten Gesamtkonzepts für die Innenstadt wobei jedoch direkt auf den beschriebenen Planungen als Rahmung aufgebaut wird.

„Gemeinsam mit der Stadt etwas entwickeln“

Seit April 2018 wurden ausgehend vom Netzwerk „Stadt für alle“ zunächst Stadtrundgänge durchgeführt, woraufhin es zur gemeinschaftlichen Ausarbeitung der Kampagne kam, die sich gegen die Privatisierung der Innenstadt-Gebäude (BVZ und Viktoria Karree) und für den gemeinschaftlichen Nutzen der Flächen sowie den Erhalt der Gebäude der ehemaligen Musikschule und des Gesundheitsamt einsetzt.
„Ziel ist ganz klar für mich erstmal, dass die Fläche nicht privatisiert wird“ kommentiert eine Vertreterin des Netzwerks „Stadt für Alle“ und trifft damit auf große Zustimmung der dreizehn anwesenden Studenten*innen, Anwohnern*innen und Vertreter*innen von Bochumer Institutionen wie zum Beispiel dem Mieterverein. „Jedoch sind wir ja nicht die politischen Gegner“, fügt sie hinzu „darum geht es ja nicht, sondern darum, dass man da gemeinsam etwas entwickeln kann.“
Zur Aufklärung und für eine Beteiligung der Bevölkerung führt das Bündnis seit Ende August eine Unterschriftenkampagne durch. „Man könnte ja auch eine Online-Petition starten“, berichtet eine Teilnehmerin und langjährige Anwohnerin. „Aber es ging uns ja gerade darum, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen“. Denn besonders der Dialog mit den Bürger*Innen auf Straßenfesten und anderen öffentlichen Veranstaltungen war wichtig, es ging darum „erstmal zu gucken: wie sehen das eigentlich Andere“ wobei aufgefallen sei: „viele hören das zum ersten Mal“.
Neben der Verhinderung geplanter Privatisierungen und der verstärkten Ausrichtung an wirtschaftlichen Interessen in der Planung soll es darum gehen, dass ein „richtiger Partizipationsprozess angeregt wird, um überhaupt irgendwelche Möglichkeiten zu schaffen, um mit der Stadt ins Gespräch zu kommen“. Denn so berichtet eine langjährige Anwohnerin: „Ich möchte auch, dass was verändert wird, aber zum Vorteil der Bürger, so dass alle was davon haben“.
Bis zum 15. November werden noch Unterschriften gesammelt und nach der Veröffentlichung der Ergebnisse soll es dann um die Konkretisierung eines Konzepts für eine Innenstadt für Alle gehen. Dabei „werden wir den Einladungen der Stadt folgen, damit wir mit Ihnen im Gespräch bleiben“, bestätigt eine Sprecherin und deutet dabei auch die Teilnahme einiger Vertreter*innen am „Zukunftsforum“ an. Einen Blick zu den Möglichkeiten alternativer Stadtentwicklung lieferten bereits geladene Gäste der „offenen Stadtversammlung“. So berichteten im Oktober die Stiftung trias über gemeinwohlorientierte Stadtenwicklungsprojekte und der GWA St. Pauli e. V. von Partizipationsverfahren und Quartiersentwicklung im Hamburger Kiez. Auch das ISEK Innenstadt greift mit der von der Montag Stiftung Urbane Räume entwickelten KoFabrik (7) gemeinwohlorientierte Entwicklungskonzepte auf. Ob noch andere alternative Stadtentwicklungsansätze und Ideen wie diese im Partizipationsverfahren des ISEK angeregt werden können, ist abzuwarten. Die aus der bürgerlichen Initiative entstandene Kampagne zeigt jedoch, wie zivilgesellschaftliches Engagement Partizipation anregen und neue Ideen ausbilden kann. Jetzt liegt es besonders an der Stadt darauf aufzubauen, eine wirkliche Teilhabe zu gewährleisten und einen gemeinsamen Gestaltungsprozess für die Innenstadt zu initiieren.

Gastautor :Janek Becker

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