Aktivismus. Mit dem „European Balcony Project“ fand in Bochum in Kooperation zwischen dem Schauspielhaus, der Christuskirche und der GLS Treuhand eine von vielen gleichzeitig stattfindenden Demonstrationen in Europa statt.
Am vergangenen Samstag wurde an über 150 Plätzen in Europa parallel die Europäische Republik ausgerufen. Im Zuge der Kunstaktion „European Balcony Project“ fanden sich Künstler*innen, Aktivist*innen und Bürger*innen auf den Balkonen Europas zusammen, um das Manifest des Schriftstellers Robert Menasse, der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und dem Regisseur Milo Rau zu proklamieren. Der Zeitpunkt zur Verkündung war nicht zufällig gewählt, denn nur einen Tag später jährte sich das Ende des ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal.
In Bochum fanden sich dabei rund 400 bis 500 Demonstrierenden an der Christuskirche zusammen, wo am Platz des Europäischen Versprechens angefangen wurde, das Manifest zu lesen. Anschließend wanderte der Demonstrationszug zum Willy-Brandt-Platz, dem Konrad-Adenauer-Platz und zuletzt zum Vorplatz des Schauspielhauses, wo das Manifest nach und nach gelesen und zuletzt in vielen europäischen Sprachen durch das Ensemble des Schauspielhauses vorgetragen wurde. Auch Oberbürgermeister Eiskirch nahm an der Demo teil und half dabei, diese nach Bochum zu bringen, nachdem Robert Menasse im Mai bereits einmal an der Christuskirche war.
Europa der Regionen
Die Kunstaktion ist bewusst utopisch ausgelegt. Das Manifest von Menasse, Guérot und Rau erklärt: „Das Europa der Nationalstaaten ist gescheitert.“ Demnach sei die Idee des Binnenmarkts und des Euros an einem fehlenden politischen Dach gescheitert und wurden durch eine neoliberale Agenda ausgebeutet, die soziale Gerechtigkeit verhindert. Deshalb werde nun eine Europäische Republik ausgerufen, die nicht mehr aus Staaten, sondern aus Städten und Regionen bestehe. Auch die kolonialistische Vergangenheit Europas soll nicht außer Acht gelassen werden und deshalb der europäische Boden mit denen geteilt werden, die vom Kolonialismus vertrieben wurden. Dabei macht die Vorstellung der Künstler*innen jedoch keinen Halt. Ein geeinigtes Europa sei nur der Anfang. Daher heißt es im Manifest „Die Europäische Republik ist der erste Schritt auf dem Weg zur globalen Demokratie.“ Trotz des Bekenntnisses zur Utopie waren die Veranstalter*innen nicht unkritisch mit dem Vorgehen und dem Traum eines geeinten Europas. Beispielsweise müsse man viele unterschiedliche Sprachen zu einer Gesamtgesellschaft vereinen. In der Vergangenheit scheiterten Versuche, eine gemeinsame Sprache, wie Esperanto, zu etablieren.
Einigung statt Machtkampf
Bei der Demo mussten jedoch auch Missverständnisse geklärt werden: „Interessanterweise wurde ich vorhin angesprochen von Menschen, die sagten: ‚Wir haben ursprünglich gedacht, dieses Manifest soll dazu da sein, Europa beispielsweise gegenüber den Vereinigten Staaten stark zu machen“, sagt Sina Schmidt, Koordinatorin des Erasmus-Projekts der Erich-Kästner Gesamtschule. Stattdessen solle es darum gehen, ein gemeinsames Zeichen für Werte wie Menschlichkeit, Toleranz und Vielfalt zu setzen.
:Stefan Moll
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