Kommentar. Deutsche glauben gleichzeitig mehr in die Demokratie, aber sind zunehmend autoritär. Wie ist dies vereinbar?
Deutsche Bürger*innen seien zunehmend autoritär veranlagt und ausländer*innenfeindlich. Dies geht aus der „Autoritarismus-Studie“ der Uni-Leipzig, auch als „Mitte-Studie“ bekannt, hervor. Demnach stimmen rund ein Drittel der Befragten Aussagen zu, dass Ausländer*innen den Sozialstaat ausnutzen wollen und dass die Bundesrepublik überfremdet sei. 55 Prozent fühlen sich durch die Zahl muslimischer Mitbürger*innen wie Fremde im eigenen Land. Laut den Kriterien der Studie zeigen so rund 40 Prozent der Deutschen autoritäre Merkmale, während 30 Prozent ausdrücklich demokratisch orientiert sind.
Falsche Demokratie
Eine sonderbare Aussage findet sich ebenfalls unter den Ergebnissen der Studie: Zwar seien vor allem im Osten Deutschlands die Menschen mit steigendem Zuspruch vom Funktionieren der Demokratie überzeugt (von 27 Prozent im Jahr 2006 auf 47 Prozent), dennoch legen sowohl Ost- als auch Westdeutsche gleichzeitig vermehrt autoritäre Persönlichkeitsmerkmale an den Tag. Obwohl dies auf den ersten Blick paradox scheint, ist es das nicht. Denn es ist gut möglich, oberflächlich die Demokratie zu befürworten, ohne deren eigentlichen Merkmale zu verstehen. Dies ist die große Nebelkerze, die beispielsweise Politiker*innen aus der AfD aufstellen. Durch ihre ständige Besinnung auf die Hoheit der Demokratie schaffen sie es, anders als beispielsweise die NPD, auch bürgerliche Wähler*innen zu blenden, obwohl sie dieselben Feindbilder beschwören, dieselben aus der NS-Zeit gezogenen Begriffe verwenden und in den selben rechtsradikalen Kreisen verkehren. Solches ist ein demokratisches Verständnis, das die Demokratie nutzen will, um durch ein mehrheitlich legitimiertes System andere Menschen durch Regierungsmacht zu delegitimieren. Doch dies ist nicht demokratisch, sondern eben autoritär. Eine Demokratie ist nicht nur eine Gesellschaftsform, in der Regierungsvertreter*innen durch die Bürger*innen gewählt werden. Es ist eine Gesellschaftsform, in der jede Person Schutz vor den Übergriffen von Machtstrukturen erhält.
:Stefan Moll
0 comments