Bild: Obwohl sie ursprünglich als reine Entlastungsuni gedacht war: Die RUB setzte einige fortschrittliche Ansätze. , Alte und neue Universitäten Bild:stem

Gründungen. Mit der Vortragsreihe „Eine Region und ihre Hochschulen“ thematisiert die Universität Duisburg-Essen unterschiedliche Aspekte der Hochschullandschaft. Im Eröffnungsvortrag ging es um die vielen neuen Universitäten, die ab den 60ern entstanden.

Die späten 50er-Jahre waren eine schwierige Zeit für die Uni-Landschaft. Gleich eine Reihe von Problemen mussten bewältigt werden, erklärte der Kasseler Historiker Dr. Wilfried Rudloff in seinem Eröffnungsvortrag „Vielfalt und Einheit: Hochschulgründungen und Hochschulreform in der alten Bundesrepublik“. Denn obwohl die Unis überfüllt waren, gab es paradoxerweise zu wenig Fachkräfte mit akademischem Abschluss. Außerdem stand die Ausrichtung der Hochschulen als Ort der demokratischen Mitbestimmung unter starken Diskussionen. Und auch die Wissenschaft befand sich in einer gefühlten Krise. Denn viele Wissenschaftler*innen hatten das Gefühl, dass durch die Bildungsexpansion die Forschung zunehmend in den Hintergrund trat und durch Lehre und andere Aufgaben ersetzt wurde.

Neue Ansätze

Um diese Probleme zu bewältigen, folgten eine Reihe von Uni-Gründungen, zu denen selbstverständlich auch die RUB gehörte. Durch diese Neugründungen setzte sich die deutsche Hochschullandschaft bis Ende der 70er Jahre aus 29 alten und 24 neuen Unis zusammen. Um die Krisen zu bewältigen, hatten einige davon starke Reformansätze. Beispielhaft hierfür waren die Universitäten in Bielefeld oder Konstanz. In Konstanz wurde unter anderem auf das Modell der Volluniversität und damit auf berufsnahe Fakultäten wie die juristische oder die medizinische Fakultät verzichtet, jedoch eine sozialwissenschaftliche Fakultät gegründet, sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit gefördert. Sowohl Konstanz als auch Bielefeld standen im Zeichen einer betonten Forschungsnähe, die die Lehre bestimmte.
Ebenso wurden neue Lehransätze ausprobiert. Ein Beispiel dafür war die Universität Bremen. Die Uni, die als „rote Kaderschmiede“ galt und in der es anfänglich keine Vorlesungen, sondern nur Seminare gab, verfolgte einen Ansatz, in dem es nicht darum ging, einen gesellschaftlichen Kanon zu unterrichten, sondern mithilfe der Mitbestimmung durch Studierende Methoden zu erdenken, um gesellschaftliche Probleme zu lösen.
Während die Ruhr-Uni, wie viele der Neugründungen, zunächst eine reine Entlastungsuniversität war, um die großen Zahl an neuen Studierenden abzufangen und generell nicht reformorientiert war, führte sie Neuerungen ein, die in den Folgejahren auch an anderen Universitäten zu sehen waren. Denn als eine der ersten Unis in Deutschland brachte die RUB Ingenieurswissenschaften und Geisteswissenschaften gemeinsam in einer Hochschule zusammen. „Die Idee war: Man muss diese Welt der Technik, als bedrohliche Macht, kritisch beobachten und zu kritischer Selbstbetrachtung befähigen“, führte Rudloff aus.


Fehlendes Immunsystem

Viele der Reformansätze scheiterten. Die Universität Bremen schaffte es beispielweise nicht, dass andere Universitäten die Leistungen und Abschlüsse der Studierenden anerkannten. Die Universität Konstanz musste schlussendlich auch juristische und medizinische Fakultäten einrichten. So folgerte Rudloff: „Es fehlte an einer Grundvoraussetzung bei den Neugründungen. Nämlich einem Immunsystem gegenüber dem Anpassungsdruck der etablierten Planungs- und Standesorganisationen.“

:Stefan Moll

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