Glosse. Willkommen an der RUB. Dem Bieradis. Das ist eine Mischung aus Bier und Paradis. So wird man Euch die Uni verkauft haben, Eure Phantasie gaukelt Euch das vor. Was Ihr hier finden werdet? Einen exorbitanten Hass auf Menschen und dass das Studileben eine Lüge ist.
Die Welt, wie Ihr sie kanntet, gibt es nicht mehr. Ein vorgegebener Stundenplan gehört der Vergangenheit an. Nie wieder werdet Ihr Kopiergeld bezahlen, Entschuldigungszettel fälschen oder in den großen Pausen aus den Gängen verjagt werden. Ihr habt – mehrheitlich – Abitur. Ihr wisst, wie die Welt funktioniert. „Unabhängigkeit“ schallt es durch Euren Kopf. „Endlich bin ich mein eigener Herr“. Freie Zeiteinteilung, nur Kurse, die mich interessieren, keine Anwesenheitspflicht … Schön isses, dieses Studileben. Von der Immatrikulationsmappe lächeln Euch die fröhlichen Gesichter einer multiethnischen Gruppe an, die bei Sonnenschein auf einer Wiese sitzen.
Ich, die Zerstörerin der Seifenblasen
Von einer alten Häsin lasst Euch gesagt sein: Dieses Bild zeigt zwei Lügen. Erstens: Nirgends auf dem Bild ist ein Bier zu sehen. Wie unrealistisch ist das bitte? Die einzige Situation, in der Studis derart gut gelaunt irgendwo draußen sitzen und so feixen, ist nach einer gepflegten Runde Bierpong oder Flunkyball – entweder noch während der Vorlesungszeit (aber auch da nur im Sommersemester. Schade, Ihr beginnt Euer Studium im Wintersemester und womöglich geben die ersten im kommenden Februar schon auf und erleben gar kein Sommersemester) oder aber nach der Klausurenphase (also nach März, wo es einfach zu kalt ist, um draußen Bier zu trinken). Die zweite Lüge auf diesem Bild (eng verbunden mit der ersten): nirgendwo sind Tränen. Denn die Realitität sieht eher so aus: weinende Menschen in der Bib, Schreie, Flüche, Verwünschungen, Bekundungen von Kommiliton*innen, dass sie lieber Stripper*innen werden, miesepetrige Gesichter …
Woraus Euer Studium wirklich bestehen wird
Ich will hier keine Hoffnungen zerstören. Einiges stimmt ja auch. Es gibt wirklich keine Entschuldigungszettel mehr. Aber Ihr werdet den Punkt in Eurer Studienzeit erreichen, an dem Ihr Euch wünschen würdet, nochmal Abi machen zu dürfen. Ihr werdet Euch über Euer eigenes Gejammer damals ärgern, Ihr werdet Sätze sagen wie „bah wenn ich noch einmal Abi machen könnte, wär das locker 1,0“ und Ihr werdet sie so meinen. Ihr werdet auch jetzt ebendiesen Satz von älteren Semestern hören und Euch denken „Du hast ja keine Ahnung, mein Abi war schwieriger als deins damals“. Nächstes Jahr zu dieser Zeit werdet Ihr die Perspektive auf diese Unterhaltung gewechselt haben.
Aber ich rede nicht alles schlecht. Es wird nur eben nicht so mega geil, wie das Bild von dem Ordner erwarten lässt. Es wird auch nicht so geil, wie im Film immer Student*innen gezeigt werden. Es wird aber auch nicht so grausam, wie es sich jetzt gerade liest.
Nur eins ist sicher: Ihr werdet weinen. Zu Beginn der ersten Klausurenphase, weil Ihr dachtet, Abitur sei schwierig, und am Ende der Klausurenphase, wenn Ihr froh seid, es geschafft zu haben. Und Ihr werdet weinen, wenn die Resultate der ersten Welle kommen. Entweder vor Erleichterung, oder weil Ihr von vorn anfangen dürft.
:Kendra Smielowski
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