Bild: So harmonisch umarmt waren sie während der Proben von „Schwarzseher“ im MZ nicht immer: Elikem Anyigba, David Guy Kono und Sebastian Bös (v.l.n.r.) sprachen oft Klartext., Premiere von „Schwarzseher“ auf der Studiobühne Bild: bent

Theater. Gibt es einen „schwarzen“ und „weißen“ Blick? Das wollen Elikem Anyigba und Sebastian Bös mit ihrem MZ-Stück „Schwarzseher“ hinterfragen. Vor dem Hintergrund der Biographie des ersten afrodeutschen Akademikers diskutieren sie über Rassismen.

Immer wieder waren es die gleichen Angebote. Einen Türsteher sollte Elikem Anyigba auf der Bühne darstellen. Oder einen Dealer. „Ich habe mich beklagt, dass es für Schwarze schwer ist, eine vernünftige Rolle zu kriegen“, erzählt der Schauspieler über den Theaterbetrieb. Denn der sei noch immer von einem weißen Blick geprägt. 

Gemeinsam mit Sebastian Bös entwickelte er die Idee zu „Schwarzseher“. Denn der Regisseur sieht ebenso eine fehlende Vielfalt an den hiesigen Bühnen: „Gehe ins Theater und Du siehst zu 90 Prozent weiße Menschen“. Daher haben sich die beiden Theatermacher entschieden, die Biographie von Anton Wilhelm Amo (circa 1703-1753), dem ersten afrodeutschen Akademiker, auf die Bühne zu bringen. 

Amo, der 1707 aus Ghana verschleppt und als Sklave an den Herzog Anton Ulrich von Wolfenbüttel verschenkt wurde, studierte Philosophie und kehrte danach wieder nach Ghana zurück. Viel ist nicht bekannt über sein Leben. Doch im MZ nehmen Sebastian Bös  und Elikem Anyigba seine Biographie als Ausgangspunkt für einen offenen Dialog zwischen einem schwarzen Schauspieler und einem weißen Regisseur. Wie unterschiedlich sind die Perspektiven? Gibt es einen „schwarzen“ und „weißen“ Blick? Und wie sehr beherrschen uns rassistische Sichtweisen noch heute unbewusst?

 

Die politisch-korrekte Schere im Kopf

Denn auch die Lebenswege von Bös und Anyigba unterscheiden sich stark: Der Regisseur wuchs katholisch und in einem humanistisch geprägten Elternhaus auf. Sein Blick auf Amos’ Weg ist von den Lichtblicken und Irrwegen der Aufklärung geprägt. Anyigba blickt dagegen wütend auf das Thema. Der Künstler verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Ghana, später wuchs er in Berlin auf. Dort wurde er zwar sportlich gefördert, doch, so blickt der Psychologiestudent zurück, „dieses Talent hatte ich auch in der Bildung. Aber mir fehlten auch einfach die Vorbilder.“ Denn während etwa viele Schwarze auf Fußballfeldern stehen, sitzen nur wenige in den Regiestühlen.

Neben der Dramaturgin Astrid Meier wirkt auch der Performancekünstler David Guy Kono als Co-Regisseur beim MZ-Projekt mit. Er hat bereits mit zahlreichen ChoreographInnen zusammengearbeitet und kennt den Theaterbetrieb. „Ich bin manchmal der einzige Schwarze im Schauspielhaus“, sagt Kono. Mit Bös führte er kontroverse Gespräche über die Inszenierung.

Und so soll es auch bei der Premiere auf der Bühne laufen: eine „ehrliche Konfrontation“ nennt es Bös. Denn aus seiner Sicht werden viele Probleme im Sinne einer political correctness unter den Teppich gekehrt oder weichgespült: „Wir wollen mit dem Theater einen Raum eröffnen, in dem man all diese Dinge sagen darf.“ Dazu gehöre auch die „weiße“ Wahrnehmung der Dinge:  „Ich glaube, dass das koloniale Weltbild bis heute in uns steckt.“ Mit ihrem Stück wollen sie anregen, dieses Weltbild abzubauen.      

:Benjamin Trilling

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Zeit:Punkte

Freitag, 15. Juni und Samstag, 16. Juni, 19:30 Uhr. Musisches Zentrum, Ruhr-Universität Bochum. Eintritt frei.

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