Glosse. Kein Sinn für das Miteinander: Die Jungliberalen reagierten mit einem peinlichen Post auf die Hausbesetzungen in Berlin.
Wer kennt es nicht? Da bestellt ein Kunde der Bäckerei in gebrochenem Deutsch ein Brot und plötzlich beschleicht einen das Gefühl, der gesellschaftliche Frieden ist noch vor dem Frühstück ruiniert. Überlebt. Weiter geht es in die U-Bahn, wo AktivistInnen mit Prämien locken. Bestimmt diese korrupte Anti-Abschiebelobby! HartzIV-EmpfängerInnen werden da wohl kaum mit ins Geschäft einsteigen, denn denen geht es ja sowieso viel zu gut.
Das klingt hohl. Es sind die jüngsten Realitätsinterventionen der Herren Lindner (FDP), Dobrindt (CSU) und Spahn (CDU).
Verwöhnte Bonzen
Denn mit dem Alltag von Beschäftigten, SchülerInnen oder Studierenden hat das wenig zu tun. Das war beim letzten Wahlkampf nicht anders: Niedriglohnsektor und Prekarisierung? Pflegenotstand und erschöpftes Krankenhauspersonal? Gibt es nicht! Genauso wenig wie mangelnden Wohnraum. Weswegen breite Teile des Establishments nicht nur kein Verständnis für die jüngsten Besetzungen in Berlin hatten. Sie konnten es einfach nicht checken, wie etwa die Reaktion der Jungliberalen zeigt: Jetzt werde zurück besetzt, forderten sie auf Facebook in Richtung der Grünen. Keine Überraschung: So ein JuLi-Bonze arbeitet nicht und schnorrt wie Mama und Papa von der Schufterei anderer. Wie sollen sie da schon etwas für den Alltag Lohnabhängiger übrig haben? Doch in den jüngsten Besetzungen in Berlin, Göttingen und Stuttgart haben sich AktivistInnen, Geflüchtete, Familien, BürgerInnen, kurz, eine Mehrheit, denen es um demokratische und gerechte Wohnpolitik geht, genau deswegen zusammengetan und leerstehende Häuser besetzt, um für ihr Recht auf Stadt zu kämpfen. Eine „Straftat“ aus Sicht der JuLis. Dass diese Aktionen auf von der Politik mitverschuldete Probleme antworteten, dafür haben sie offensichtlich keinen Realitätssinn. Also, mehr Hausbesetzungen bitte. Als Therapie. Damit die letzten wohlstandsverwahrlosten Schnösel einen Sinn für das Miteinander in Großstädten erhalten. HausbesetzerInnen sind keine Kriminellen. Sie sind heute SozialarbeiterInnen von Jungliberalen. Und am besten beginnt die Betreuung schon beim Bäckerei-Besuch. :Benjamin Trilling
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