Kommentar. Um seine Dienste nützlicher zu machen, setzt Google immer mehr auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Auf seiner Entwicklermesse I/O 2018 hat der Konzern einige Neuerungen vorgestellt, die erschreckend gut funktionieren.
Gezeigt wurden beispielsweise Programme, die automatisch Fotos bearbeiten, ganze E-Mails ausformulieren oder durch ein intelligentes App-Management herausfinden können, welche App als nächstes benutzt wird, um die Laufzeit der Smartphone-Batterie zu verlängern. Die aber wohl beeindruckendste und wohl auch gruseligste Vorstellung zum Auftakt der Entwicklerkonferenz handelte von Googles neuer sprechender Assistenzsoftware – Google Duplex. Google-CEO Sundar Pichai spielte Aufzeichnungen von zwei Telefongesprächen vor, die vom Google Assistenten vollautomatisch mit Menschen geführt wurden. Bei dem ersten Anruf ging es um die Terminvereinbarung bei einem Friseur, beim zweiten Gespräch um die Reservierung in einem Restaurant. Das Gespräch beim Friseur lief ohne Probleme und auch das zweite Gespräch meisterte die künstliche Intelligenz. Zu Komplikationen kam es allerdings, als die Rezeptionistin anfangs Personenanzahl und Tag missverstand und sich am Ende herausstellte, dass erst ab fünf Personen reserviert werden kann. Die KI fragte daraufhin, wie lange die üblichen Wartezeiten an einem Mittwoch wären. Weder im Friseursalon noch im Restaurant fiel den Menschen auf, dass sie nicht mit einem anderen Menschen, sondern mit einem Programm sprachen.
Premiere für die Menschheit
Google Duplex ist das erste Programm, das nicht nur ohne offensichtliche Probleme eine Unterhaltung führen kann, sondern mit der computergenerierten Stimme von einem Menschen nicht zu unterscheiden ist. Für mich eine makabere Vorstellung, wenn man sich demnächst nicht mehr sicher sein kann, ob man nun mit Mensch oder Maschine spricht. Durch die richtige Intonation, das passende Einstreuen von Denkpausen, das Verstehen von und Eingehen auf Nachfragen sowie das Einschieben von Zwischenlauten wie „hmm“ oder „ähm“ wirkt das Programm menschlich. Vorläufig kann das System nur für wenige Arten von Telefongesprächen genutzt werden und müsste für jedes neue Einsatzfeld erstmal neu „eingearbeitet“ werden.
Ängste
Googles Ziel ist es, den beteiligten Menschen, also in diesem Fall den AuftraggeberInnen des Anrufs und den Angerufenen, einen besonders hilfreichen Service zu bieten. Genauso hilfreich wird dies aber auch für Google, denn dieser tolle Service wird nicht ohne Nutzerdaten funktionieren. Da hilft es auch nicht, wenn Pichai bei seinem Vortrag so technikbegeistert ist, das er den Aspekt des Datenschutzes vollkommen auslässt. Außerdem könnte die Software hilfreich für Betrugsversuche sein. Das Programm braucht keine Pausen und kann bestimmt mehr alte Damen erreichen als eine einzelne Person – die effiziente Vollautomatisierung des Enkeltricks. Das Misstrauen der Menschen in Technik kann durch dieses Programm weiter bestärkt werden. Mittlerweile hat der Konzern bestätigt, dass das System sich zu erkennen geben wird. Wie dies aber aussieht, weiß noch keineR. Und so stellt sich die Frage, wie die Zukunft aussehen wird. Denn diese KI ist nicht nur ein Produkt, um den Menschen zu entmündigen, indem man die KIs für uns Gespräche führen lässt, sondern auch ein Problem für den Jobmarkt. Denn welches Call Center wird noch Studierende einstellen, wenn man auch ein Programm engagieren kann. Und was passiert, wie KI-Forscher Toby Walsh schon 2016 anmerkte, „wenn die KI jemanden nachahmt, dem wir vertrauen?“
:Gianluca Cultraro
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