Bild: Die Bombe hing in einer Plastiktüte an dem Geländer und wurde hier per Fernzündung aktiviert: der S-Bahnhof Düsseldorf- Wehrhahn. , Infoveranstaltung zum Wehrhahn-Bombenanschlag und den Prozess Bild:Maxi Lorenz

Rechte Szene. Erst 18 Jahre nach der Tat vor Gericht: Seit Januar läuft der Prozess in Düsseldorf gegen den Angeklagten in der Causa Wehrhahn-Bombenanschlag. Hintergründe gab es vergangene Woche im Bahnhof Langendreer.

Am 27. Juli 2000 um 15:03 Uhr erschütterte eine Explosion nicht nur Düsseldorf, sondern international die Menschen: Bei einem Anschlag mit einer selbstgebauten Bombe mit 250 bis 300 Gramm TNT-Sprengstoff, wurden 10 Menschen – MigrantInnen aus Osteuropa, teilweise jüdischen Glaubens – zum Teil lebensgefährlich verletzt. Obwohl es relativ früh mit dem Neonazi und Ex-Bundeswehrsoldaten Ralf Spies einen Verdächtigen gab, wurde der Fall mangels Beweisen fallen gelassen. Mehr als 17 Jahre später beginnt der Prozess gegen den selbsternannten „Sheriff von Flingern“ vor dem Düsseldorfer Gericht. 

Vergangene Woche fand im Bahnhof Langendreer ein Informationsvortrag zu dem Anschlag und den Hintergründen – sowohl der Tat selbst als auch der Ermittlungen –  mit einem Referenten des Antirassistischen Bildungsforums Rheinland (ABR) statt. 

Wer ist Spies?

„Er hat für das Militär gelebt“, so der Referent des ABR – Spies habe sich eine eigene Reservistenkameradschaft aufgebaut und Übungen abgehalten. Beruflich verdingte er sich als Wachschutz, Detektiv, Security. Daneben war der „Militärfetischist und Narzisst“, wie im Vortrag klar wird, auch ein Neonazi. In der rechten Szene Düsseldorf, die Ende der 90er und Anfang der 2000 stark war, war er mit deren „Kameradschaftsführer“, Kader Sven Skoda befreundet. Doch auch über die Stadtgrenzen hinaus pflegte er Kontakte und Mitgliedschaften in diversen rechten Gruppierungen, galt jedoch nicht als Parteigänger.

Bereits kurz nach der Tat galt Spies als Hauptverdächtiger: Es gab Hinweise, auch wenn ihn niemand am Tatort, dem S-Bahnhof Wehrhahn, gesehen habe und unklar war und ist, wieso er fähig war, eine Bombe zu bauen. Doch es gab „keine harten Beweise“ gegen ihn. Retrospektiv wird klar: „Er kannte diese Opfergruppe sehr wohl.“ Denn diese lernten in einer Sprachschule gegenüber seines Militaria-Ladens Deutsch. Bereits im Herbst 1999 habe Spies, gemeinsam mit weiteren Neonazis versucht, die SprachschülerInnen zu verängstigen. Dies teilte eine Sprachlehrerin der Polizei bereits im Jahr 2000 mit. Der Hinweis wurde jedoch verworfen. 

Pannen 

Ohne stichhaltige Beweise kam erst 2014 wirklich Bewegung in den Fall, als Spies es selbst war, der sich enttarnte: Während einer Haft in der JVA Castrop-Rauxel prahlt er vor einem Mithäftling mit seinem Wissen zum Bau einer Bombe und seiner Tat. Dieser verständigte die JVA-Leitung. Eine neue Ermittlungskommision stellte eine Indizienkette auf: „Es geht darum, in allen möglichen Punkten nachzuweisen, dass nur er das gewesen sein kann.“ Retrospektiv wird die erste EK stark für die Ermittlungen kritisiert, man habe wichtige Spuren nicht ernstgenommen. Eine Aufklärung der Pannen im Rahmen eines Untersuchungsausschusses wie bei dem NSU-Prozess, wird es laut Referenten wahrscheinlich nicht geben: „Es gibt kein politisches Interesse für die Aufklärung; erst recht nicht, wenn Spies verurteilt wird.“ 

Seit Januar läuft der mittlerweile bis Mitte Juli angesetzte Prozess. Kommenden Donnerstag gibt das Gericht eine Einschätzung zum weiteren Prozessverlauf ab. Angeklagt ist er wegen zwölffachen versuchten Mordes.  

Weitere Informationen zum Prozess finden sich unter mobile-beratung-nrw.de/wehrhahn-prozess und in der aktuellen „Lotta“ tinyurl.com/wehrhahn.   

:Andrea Lorenz

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