premiere. Sturz einer Stahl-Dynastie: Jan Neumann inszeniert im Schauspiel Essen „Der Fall der Götter“ nach dem Film „Die Verdammten“.
Der stolze Mantel wirkt wie der eines Sonnenkönigs, in dem der alte Baron Joachim von Essenbeck (Jens Winterstein) fast unterzugehen scheint. Da feiert der
Vorsitzende einer Stahlwerks-Dynastie seinen Geburtstag im Kreis der Familie. Am gleichen Abend, an dem die Nachricht vom Reichstagsbrand eintrifft. In diesem Februar 1934 ändern sich auch für die Essenbeck‘schen Gussstahlwerke die Zeiten. Später spannt der Patriarch diesen Mantel weit auf, damit auch diejenigen darunter passen, die wie sein Sohn Konstantin (Jan Pröhl) mit den NationalsozialistInnen sympathisieren.
„Götterdämmerung“ wollte der italienische Regisseur Luchino Visconti seinen Film über den Sturz und die Verwicklungen einer Industriellen-Familien (in Anlehnung an die Krupp-Dynastie) eigentlich nennen. Doch die amerikanischen Produzenten beharrten damals auf den kommerziellen Titel „Die Verdammten“, unter dem der Auftakt von Viscontis „deutscher Trilogie“ schließlich 1969 in den Kinos lief.
Viel Hass, viele Hitlergrüße
Dass die Vorlage nun unter dem Titel „Der Fall der Götter“ von Hans Peter Litscher für die Bühne übersetzt und bearbeitet wurde, kommt der ursprünglichen Intention von Visconti daher entgegen, um den epischen wie tragischen Untergang dieser Familie darzustellen.
Der wagnerianische Sog, den Visconti auf der Leinwand entfaltet, bleibt in der Inszenierung von Jan Neumann allerdings aus. Oft halten nur die Erzählungen das Geschehen zusammen, das hier auf einer kargen Drehbühne aus Eisenklötzen dargestellt wird: Das Macbeth-Motiv aus Intrigen und Wahn gerät zur Spirale aus Gewalt und Wahn vor einer Nazi-Garnitur, bis schließlich die Hakenkreuzfahnen von der Decke flattern. Der flotte Untergang der Demokratie zerfleischt hier auch im Herzen der Macht jede Seele. Wird deswegen qualvoll gekrächzt? Oder sind es Gegenwartsinterventionen, wenn abwechselnd der Hitlergruß gezuckt und „Hass“ ausgepustet wird? Das wird an diesem oft zähen, dreistündigen Premierenabend bis zum Ende nicht klar.
Die nächsten Vorstellungen sind am 26. April und 4. Mai im Schauspiel Essen.
:Benjamin Trilling
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