Kommentar. Warum sind Behinderung und Inklusion für uns immer noch etwas Besonderes? Ist vielleicht unser Denken selbst behindert?
Es ist kurz vor 8 Uhr und die U35 ist rappelvoll. Eigentlich müsste es so laut sein, dass ich mein eigenes Wort nicht mehr verstehe, aber es ist still und alle starren wie gebannt auf ihre Handys. Die meisten von ihnen chatten. Plötzlich fragt der Typ neben mir seinen Kumpel: „Du sag mal, hast du das mit dem Gebärdensprachkonzert „Laut los“ vom Behindertenreferat mitbekommen?“ „Ja, hab ich. Coole Sache. Finde es voll super, dass die jetzt auch was für Behinderte machen.“
Ich schmunzele etwas, denn das Konzert war nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für uns alle. Und wieder einmal stelle ich mir die Frage, was heißt das eigentlich schon, „behindert sein“.
Haben wir nicht alle unsere Schwächen, die einen mehr, die anderen weniger? Warum ist ein Gebärdensprachkonzert für uns, die mittlerweile selbst nicht mehr allzu oft die gesprochene Sprache verwenden, um zu kommunizieren, noch immer etwas Besonderes? Warum ist Behinderung etwas, das extra betont werden muss? Wir reden von Inklusion, darüber, dass alle Menschen gleich sind, keineR wegen irgendwas diskriminiert werden darf, aber machen wir das nicht schon dadurch, dass wir noch immer in unterschiedlichen Kategorien denken? Was, wenn wir uns durch unser Schubladendenken selbst behindern? Wenn Schulen den Kindern die Leistungsfähigkeit absprechen. Dann, wenn wir nur die Schwächen, nicht die Stärken oder gar den Menschen sehen. Wenn Menschen sich über die Nachteilsausgleiche anderer aufregen. Oder wir Menschen, die offensichtlich anders sind, überbemuttern und ihnen alles abnehmen (wollen) oder sonst wie in Watte packen. Vielleicht bin ich aber auch einfach behindert in meinem Denken. Denn das Denken über Behinderung und die Einteilung in „behindert“ und „nicht behindert“ ist ja schon eine Form der Behinderung, denn letztlich sind wir alle vorgeprägt in unserem Denken und können oftmals nicht auf neue Antworten kommen.
Wir sind mittlerweile an der Uni angekommen. Ich versuche, aus der Tür raus zu kommen, aber ich werde von zwei jungen Frauen behindert, die auf ihre Handys starren und lieber miteinander chatten, als miteinander zu sprechen.
:Helena Patané
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