Großes Gelächter brach 1983 unter den Fraktionen aus, als die Grünen-Abgeordnete Waltraud Schoppe ein Ende des „alltäglichen Sexismus im Bundestag“ forderte. Ob die Reaktionen in den Reihen von Union bis FDP heute ähnlich ausfallen würde? Denn die #metoo-Debatte hat für einen Aufschrei gesorgt. In der Filmbranche aber auch in der Politik.
Anna Schiff hat für die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Broschüre über Sexismus verfasst, die mehrfach neu aufgelegt und aufgrund einer großen Nachfrage aktuell überarbeitet wird. Auch mit medialen Kampagnen hat sie sich intensiv auseinandergesetzt. Für sie kam die Aufdeckung von alltäglichen Übergriffen rund um #metoo im vergangenen Herbst gar nicht so überraschend: „Es gab immer wieder solche Social-Media-Kampagnen wie etwa bei Brüderle vor ein paar Jahren“, sagt sie. „Eigentlich ist es gar nicht so überraschend, dass es mit #metoo so explodiert ist, denn das ist getragen worden von den ganzen kleinen Schritten vorher. Aber da gibt’s auf jeden Fall positive Signale.“
Denn die Stimmung ist sensibler geworden, wenn an diesem Wochenende tausende Menschen beim Internationalen Frauenkampftag auf die Straßen gehen. In Hollywood wird über Weinstein und Co. diskutiert, der Fußballverein St. Pauli verteilt sogar eine Broschüre gegen Sexismus im Stadion. Für Schiff sind das positive Signale: „Auch viele Männer haben sich antisexistisch zu Wort gemeldet. Ich glaube, da kommt einiges in Bewegung.“
#metoo sexualfeindlich?
Doch solche Fortschritte habe es immer wieder gegeben. Genauso wie die Rückfälle. Etwa in den 80er-Jahren, in der Ära von Kohl, Thatcher oder Reagan. Die RUB-Absolventin der Geschichtswissenschaft und Gender Studies ist da zuversichtlich: „Seit 70 Jahren diskutieren wir den selben Scheiß. Aber mit jeder Schleife ändert sich was.“ Denn aktuell zeige auch das Erstarken der nationalistischen AfD oder die Präsidentschaft von Trump kämpferische Gegenreaktionen. „Das hat ein Bewusstsein geschaffen, dass es wichtig ist, auf die Straße zu gehen und sich zu positionieren.“
Doch nach der #metoo-Debatte meldeten sich auch Frauen kritisch zu Wort. Prominentestes Beispiel war ein Gastbeitrag in der „Le Monde“ rund um die französische Schauspielerin Catherine Deneuve. Ihr Vorwurf: Die aufgeheizte Debatte sei sexualfeindlich und sorge für eine rigide Atmosphäre. Ein Argument, das immer wieder vorgebracht werde, wie Anna Schiff erklärt. Für sie komme es darauf an, in jeder Interaktion den Kontext zu berücksichtigen. Auch Flirts und Annäherungsversuche erfahren durch Kampagnen wie #metoo keine Hürden, im Gegenteil, meint sie: „Vom Abbau struktureller Ungleichheit profitieren alle.“
:Benjamin Trilling
Kurz-VitaAnna Schiff schreibt für das Fachmagazin „Wir Frauen“ und promoviert an der RUB zum Thema „Wissensgeschichte der Mädchensexualität“. Ihre Broschüre „Ist doch ein Kompliment … Behauptungen und Fakten zu Sexismus“ erscheint demnächst bei der Rosa Luxemburg-Stiftung in einer neu überarbeiten Auflage.
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